Berühmter Physiker als praktischer ethischer Humanist
geb.: 23. Januar 1840 in Eisenach; gest.: 14. Januar 1905 in Jena
Fabrikant, Konzernchef, Physiker, Ethiker, Philanthrop, Direktor der Sternwarte in Jena (1877–1901), Mitbegründer der „Volkswohl“-Bewegung; berühmt durch seine Erfindungen und auch seine sozialkulturellen Einrichtungen, besonders durch das „Volkshaus“ in Jena, eine öffentliche, nicht religiös oder gar kirchlich orientierte Freizeitstätte.
Das Programm von Volkswohl folgte sowohl betriebsgemeinschaftlichen als auch ethischen Zwecken. Es gab Fabrikfeste bei Jubiläen und Produktionserfolgen, Weihnachtsfeste und Feste anlässlich der Erstattung der Jahresrechnungen von Kranken- und Hilfskassen, Vortrags- und Unterhaltungsabende, Betriebsausflüge (etwa zu Kunst- und Gewerbeausstellungen), Urlaube, Arbeitergärten, Ferienheime des Betriebes, Volksbibliotheken, Lesehallen, Volkstheater, Volksunterhaltungsabende – und eben betriebliche oder durch Betriebe geförderte kommunale Volksheime oder Volkshäuser.
Abbes Wirken war immer darauf gerichtet, dass Arbeiter wie er aus der Unterschicht aufsteigen können durch Aneignungsmöglichkeiten von Bildung und Kultur und durch verkürzte Arbeitszeit. Abbe fasste seine humanistischen Ideen, die er zwischen Liberalismus und Sozialismus ansiedelte, sogar in einer neuen Nationalökonomie zusammen.
Jena war zu Abbes Zeiten und Dank seiner Wirkung eines der zwölf Zentren der „Deutschen Gesellschaft für Ethische Kultur“ in Deutschland. Der Verein hieß hier „Freie ethische Gesellschaft“, gehörte zu den ersten Mitgliedern des „Weimarer Kartells“ und wurde nach dem Tode ihres Gründers und Gönners im Jahre 1911 umbenannt in „Kulturgesellschaft Ernst Abbe.“
1896 unterstützte Abbe die „volkstümlichen Hochschulkurse“ – die Idee der „Volkshochschulen“. Diese Veranstaltungen orientierten sich an skandinavischen und englischen Vorbildern. In Jena wurden sie in Gang gebracht durch die u.a. der Pflege des antiken Humanismus verpflichteten „Comenius-Gesellschaft“. Für die Kosten kam Ernst Abbe auf, indem er das Geld für „Beleuchtung, Heizung, Diener [!], Dozentenhonorare u.s.w.“ gab.
Der Arbeitersohn Ernst Abbe, er war der einzige Sohn des frei denkenden Webers Georg Adam Abbe, verdankte es der extremen und selbstlosen Sparsamkeit seiner Eltern, dass er aufs Gymnasium durfte, um anschließend in Jena Naturwissenschaften zu studieren (1857–1859). Er promovierte in 1861 in Göttingen und wurde anschließend Assistent an der dortigen Sternwarte. 1863 wurde er in Jena habilitiert und ließ sich dort nieder.
Abbe entdeckte Gesetze der Strahlenoptik und entwickelte seine ersten optischen Präzisionsgeräte und Prismenfeldstecher in der Werkstätte von Carl Zeiss (1816–1888). 1866 gelang Abbe die Berechnung und Herstellung farbfehlerfreier Objektive (Apochromate) und ab 1867 die Entwicklung von Fokometern, Spektrometern, Komparatoren und Kondensoren. Mit seinen „Beiträgen zur Theorie des Mikroskops und der mikroskopischen Wahrnehmung“ schuf Abbe 1873 die Voraussetzungen zur Herstellung mikroskopischer Objektive, ohne welche die damals einsetzende Erforschung der Mikro-Organismen und die Evolutionstheorie seines „Nachbarn“ und Universitätskollegen in Jena (von 1870–96 war Abbe Professor an der Universität Jena), des Zoologen Ernst Haeckel, nicht möglich gewesen wäre. In der nach ihm benannten Abbeschen Theorie wird die Bildentstehung und das Auflösungsvermögen in einem Mikroskop erstmals unter Zugrundelegung der Einflüsse der Lichtwellen berechnet.
Ab 1875 war Abbe Teilhaber der optischen Werkstätten von C. Zeiss, woraus 1884 die Gründung der Jenaer Glaswerke Schott & Genossen mit C. Zeiss hervorging. Nach dem Tod von Zeiss war Abbe Alleininhaber der Firma, die er 1891 in die von ihm gegründete „Carl-Zeiss-Stiftung“ überführte, als deren Bevollmächtigter der Geschäftsführung er 1903 zurücktrat. Unter seiner Leitung wurde die Jenaer optische Industrie Marktführer in der Welt und Abbe nicht müde zu erklären, wie sehr dieser Erfolg auch seinen ethischen und kulturellen Werken zu verdanken ist.