Hans Georg Kurella (* 20. Februar 1858 in Mainz; † 25. Oktober 1916 in Dresden) war ein deutscher Psychiater. Als produktiver Autor und Übersetzer setzte er sich in Deutschland für die Kriminalanthropologie ein, wie sie vor allem von dem italienischen Psychiater Cesare Lombroso geprägt wurde. Er popularisierte das Werk des italienischen Kriminalanthropologen Cesare Lombroso und hob dessen Beitrag zur Soziologie hervor. – Vgl. die von Hans Kurella übersetzten und hrsg. Werke von Cesare Lombroso: Entartung und Genie. Neue Studien. Leipzig 1894; Der Antisemitismus und die Juden im Lichte der modernen Wissenschaft. Leipzig 1894; Die Anarchisten. Eine Kriminalpsychologische und sociologische Studie. Hamburg 1895; Kerker-Palimseste. Wandinschriften und Selbstbekenntnisse gefangener Verbrecher. Hamburg 1899.
Lombroso sei „stets ein entschiedener Vertreter der Forderung gewesen, mit allen Mitteln die unzureichende Wirkung der natürlichen Auslese durch ein(e) planmäßige Selektion der antisozialen Individuen zu ergänzen“, d. h. derjenigen „Kategorien pathologischer oder abnormer Individuen …, deren Verhalten als Störung des regelmäßigen sozialen Lebens wirkt“ – allerdings ohne zu einem „Fanatiker der Rassenzüchtung im Sinne der Gobineau und Chamberlain zu werden“. Vgl. Hans Kurella: Cesare Lombroso als Mensch und Forscher. Wiesbaden 1910. S. 11, 5, 12.
Sozialistische Ideen entnahm Hans Kurella dem Werk des italienischen Darwinisten Enrico Ferri (1856–1929). Gegen den deutschen Determinismus und den romanischen Anarchismus gewandt, sprach Ferri vom Klassenkampf als einer Erscheinung, in der lebendige Organismen um bessere Lebensumstände ringen. Der Ausgang sei nach Darwin, Spencer und Marx offen, sei keineswegs „gesetzmäßig“, sondern abhängig vom Handeln von Millionen Menschen, die aber nach einer Idee suchen, die ihnen biologisch und sozial eine Zukunft verspricht. Vgl. Enrico Ferri: Socialismus und moderne Wissenschaft. Darwin – Spencer – Marx. Übersetzt und ergänzt von Hans Kurella. Leipzig 1895. S. 67, 169; Ders.: Das Verbrechen als sociale Erscheinung. Deutsche Ausgabe von Hans Kurella. Leipzig 1896 (Bibliothek für Socialwissenschaft, hrsg. von Hans Kurella, 8).
Ferri gab den Faktoren „Willen“ und „Kultur“ einen Rang im historischen Prozess, der dem bisherigen Marxismus fremd war, was nicht zuletzt Karl Liebknecht in seinen Luckauer Studien kritisch hervorhob. Vgl. Karl Liebknecht: Studien über die Bewegungsgesetze der gesellschaftlichen Entwicklung. München 1922.
John Berry Haycraft: Natürliche Auslese und Rassenverbesserung. Deutsche Übers. v. Hans Kurella. Leipzig 1895. – Alfred Hegar (Arzt): Der Geschlechtstrieb. Eine social-medicinische Studie. Stuttgart 1894. – Havelock Ellis: Mann und Weib. Eine Darstellung der sekundären Geschlechtsmerkmale beim Menschen. Hg. v. Hans Kurella, Nervenarzt in Bonn. Würzburg 1909. – Ders.: Die Welt der Träume. Übers.: Hans Kurella. Würzburg 1911. – Ders.: Rassenhygiene und Volksgesundheit. Übers.: Hans Kurella. Würzburg 1912.
[Vater u.a. von Alfred und Hans Kurella]