Ansprüche an eine moderne Erinnerungskultur
Lutherehrung 2017 – und der Humanismus?
In der großen Kultur-Enquete des Deutschen Bundestages vom Dezember 2007 kommt der Begriff Humanismus nicht ein einziges Mal vor,[1] umso mehr wurden die Kirchen als Kulturträger gewürdigt. Vier Jahre später, am Abend des 20. Oktober 2011, beschloss der Deutsche Bundestag einstimmig die Förderung des Luther-Jahres 2017. Damit entsprach das Parlament nach der ersten Lesung einem fraktionsübergreifenden Antrag vom Juli. Dort war beantragt worden, das 500. Jubiläum der Reformation als ein kirchliches und kulturgeschichtliches „Ereignis von Weltrang“ durch die Bundesregierung umfassend zu fördern.[2]
Es sei dahingestellt, dass hier in den Festkalender Deutschlands eingegriffen wird,[3] der Bundesstaat eine Religion privilegiert und auch, dass es sich hier tatsächlich um ein „Ereignis von Weltrang“ handelt, das differenziert zu betrachten ist. Viel zu wenig wird z. B. die Eingebundenheit dieser Ereignisse in den beginnenden Frühkapitalismus (Stichwort: Fugger) und die fiskalischen Fürsteninteressen gesehen. Besonders aber vom Humanismus der Renaissance her gesehen und vom Standpunkt des modernen Humanismus war der Sieg der Reformation in einigen deutschen Ländern und der Ausbau katholischer Herrschaften in den andren eine epochale Niederlage, die durch die protestantische Kirchenbildung eine bis heute fortwirkende, in vielen Zügen, besonders was die Deutschen Christen vor und während des Nationalsozialismus betrifft, geradezu antihumanistische Nachhaltigkeit gewann.
Luther und die Reformation richteten sich nicht nur gegen die Römische Kurie, gegen Gemeinden, die dann acht Jahre später im Bauernkrieg aufbegehrten und deren blutige Niederlage Luther feierte, und gegen die Juden, sondern auch gegen die Aufgeschlossenheit des Humanismus für die Philosophie der Antike, etwa schon in Luthers Kampf gegen die „Schlange“ Aristoteles in der Heidelberger Disputation von 1518, und vor allem gegen die humanistische Verteidigung der menschlichen Freiheit durch Erasmus von Rotterdam im Dezember 1525 in Luthers sich gegen das Wahlvermögen der Menschen richtenden Schrift Gegen den geknechteten Willen.[4]
In den wenigen öffentlichen kritischen Anmerkungen zu diesem Beschluss des Bundestages spielen humanistische Einwände bisher keine Rolle. Das verwundert auch gar nicht, steht doch das öffentliche Bewusstsein von dem, was unter Humanismus traditionell verstanden wird, in Kontrast zum modernen Humanismus-Verständnis, das in diesem eine kulturhistorische Bewegung sieht, die eine Aneignung der schon im Alten Rom von der katholischen Staatsreligion unterdrückten heidnischen Antike darstellt, die in der Renaissance aufkommt und das freie Individuum entdecken lässt.
Diese Rückbesinnung endet nicht mit dem Neuhumanismus und deren Antikeaneignung in dem Sinne, dass nach Herder, Schiller, Goethe usw. nichts mehr käme, sondern lebt, etwa in der kulturellen Idee der Menschenwürde und Menschenrechte, bis heute fort. Doch wer sich umschaut, findet Humanismus in der Regel nur eingeschränkt als Pflege eines nahezu toten Erbes, als lediglich gymnasial und museal fortlebendes Artefakt.
Nirgends zeigt sich diese Sicht klarer als in den jüngsten Debatten über eine jüdisch-christliche deutsche Leitkultur. Es war ausgerechnet der katholische Bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer, der anmerkte, dass es ja auch noch den Humanismus gibt.[5] Aber er meinte sicher den Humanismus, wie er in der baden-württembergischen staatlichen Stiftung Humanismus heute verstanden wird, nämlich als Pädagogik der griechischen und lateinischen Sprache.
Es sind in dem hier kurz Geschilderten durchaus Zeichen für eine Krise zu sehen – zumindest des Ansehens von Humanismus in der Gesellschaft. Humanismus kommt in der deutschen Geschichtskultur nahezu nicht vor. Die wenigen Ausstellungen der letzten Jahre, bei denen zumindest im Untertitel „Humanismus“ vorkam, berichteten meist über Fürstengeschichten oder Kunstsammlungen in einer Tendenz,[6] die Humanismus vorwirft, an einem Mangel an Transzendenz zu leiden.
Es leidet aber unsere Gesellschaft, nämlich an einem Mangel an Humanismus nicht nur in der Geschichtskultur. Nicht nur sie, sondern auch der Staat könnte gewinnen, wenn angesichts von 35 Prozent Konfessionsfreien, von denen eine Mehrheit humanistische Lebensmaximen ganz selbstverständlich lebt, auch die Tradition dieser Kultur angemessen vorkäme und gewürdigt würde.
Um diese These zu begründen, wird im Folgenden zunächst an einem Gelehrtenstreit Anfang der 1990er Jahre dargestellt, worum es sich bei Geschichtskultur handelt und warum in dieser die Erinnerungskultur davon abhängt, dass sich menschliche Subjekte des überkommenen Erbes überhaupt annehmen, das heißt auch auswählen. Dann wird argumentiert, warum es so schwer ist, die Kultur des Humanismus anschaulich abzubilden. Dazu ist dann eine Anmerkung zur DDR nötig. Schließlich wird vorgeschlagen, mit einer geschichtskulturellen Präsentation der „Humanistengemeinden“ um 1900 zu beginnen. Abschließend werden drei politische Forderungen unterbreitet.
Was ist Geschichtskultur?
Anfang der 1990er Jahre fand eine breite bundesdeutsche Debatte über Geschichtskultur statt.[7] Ihre Gegenstände gingen wesentlich zurück auf eine 1957 in Stuttgart publizierte Schrift des französischen Soziologen und Philosophen Maurice Halbwachs von 1939, der im März 1945 im KZ Buchenwald zu Tode kam: Das kollektive Gedächtnis (Stuttgart).[8] Er unterschied – und das ist durchaus auf das Thema Humanismus anzuwenden – kollektive Erinnerung, lebendige Tradition und historisches Wissen.
Daran knüpfte etliche Jahre später (1988) der Ägyptologe Jan Assmann an, zunächst in einem gemeinsamen Sammelband mit Tonio Hölscher Kultur und Gedächtnis.[9] Hier veröffentlichte er einen Aufsatz unter dem Titel Kollektives Gedächtnis und kulturelle Identität. Die dort entwickelte Sichtweise haben dann er und seine Frau Alaida in zahlreichen Monographien ausgebaut und sich dabei auf Aby Warburgs These gestützt,[10] Kultur sei ein soziales Erinnerungsorgan.[11]
Drei Thesen von Assmann sind hier wichtig: Die Erinnerung ist erstens selbst kulturell geformt; obwohl wir in einer Schriftkultur leben dominiert zweitens in Erinnerungskulturen vorwiegend das Bildgedächtnis; drittens: keine Erinnerung ohne deren Pflege.
Assmann bezog sich in seinen Arbeiten konstruktiv-kritisch auf das Buch des Mitbegründers der französischen Mentalitätsgeschichte Pierre Nora Zwischen Geschichte und Gedächtnis (1990).[12] Der Historiker legte dar, es gäbe in modernen Gesellschaften eine Beschleunigung der Geschichte mit dem Ergebnis eines verstümmelten Gedächtnisses durch Aufhebung der Erlebniszusammenhänge. Denn, so Noras durchaus richtige Beobachtung, die „Gedächtnisgemeinschaften“ zerfallen und somit werden die Gedächtnisorte zu Überresten kultureller Überlieferung. Diese würden einer pädagogischen Pflichtaneignung unterworfen, bei der die Menschen nicht mehr selbst entscheiden können, was bedeutsam war oder für sie selbst gerade ist. Es wird ihnen beigebracht.
Für unser Thema ist die Folgerung ganz elementar: Wenn an Humanismus niemand mehr erinnert, gab es ihn letztlich gar nicht, jedenfalls ist er dann nicht in der Erinnerung kollektiver Subjekte. Wenn der deutschen Gesellschaft niemand etwas über Humanismus erzählt, kann sie davon gar nichts wissen.
Noras Hinweis auf die pädagogische Vorauswahl dessen, an was erinnert wird, rief nach dem Deutschen Historikertag 1976 den Historiker Jörn Rüsen auf den Plan mit seinem wissenschaftlichen Großprojekt der Geschichtskultur.[13] Er plädierte angesichts der von Nora geschilderten Lage für eine dann auch wirklich vernunftgeleitete historische Erinnerung. Logisch, dass er daraus folgerte, die Erinnerungen seien in die Befunde der modernen Geschichtswissenschaft mit ihren – wie er meinte – objektiven Maßstäben einzuordnen und zu bewerten.
Rüsen bestimmte „Geschichtskultur“ als eine „Fundamentalkategorie“, weil hier der Sitz des historischen Denkens im realen Leben bestimmt werde. Die Hinwendung zur Geschichtskultur sei nicht nur ein Zeugnis des Interessewandels weg von der Gesellschafts‑, hin zur Kulturanalyse, sondern die Kategorie habe in die Kontextabhängigkeit der historischen Forschung neu eingeführt und zugleich den Horizont der Geschichtsdidaktik erweitert (Schulbücher und Bildungsarbeit, aber auch neue Berufsfelder für Historiker als „Kulturarbeiter“).
Das Geschichtsbewusstsein sei nun nicht mehr auf kognitive Vorgänge reduziert, was, wie noch gezeigt wird, Kulturwissenschaftlern nicht weit genug formuliert war. Rüsen meinte, das habe auch Folgen für die kulturelle Handlungskompetenz des Historikers und Lehrers. sie erstrecke sich auf größere Praxisfelder. Zugleich würden sich neue Phänomenbereiche der Theorie öffnen, vor allem hinsichtlich des nun breiteren Verständnisses von Erinnerungsarbeit und Erfahrungsdeutung, eingeschlossen eine neue Rhetorik des Historischen, bis hin zur Ausbildung einer Politik der historischen Interpretation. Das historische Argumentieren befreie sich von der Zwangsbindung an das Schriftliche, wobei der bewusste (politische) Gebrauch des historischen Materials von unbewussten Kontexten ihres Wirkens, etwa in Parlaments- und Festreden, zu unterscheiden sei.
Inzwischen hatte sich ebenfalls seit den 1970ern parallel dazu unter Hermann Bausinger eine Tübinger kulturwissenschaftlich-ethnologische Schule gebildet.[14] Aus ihr ging unter anderem der Volkskundler Gottfried Korff hervor,[15] der an Rüsens Konzept einige Kritik äußerte, die für den Zusammenhang von Humanismus und Geschichtskultur wesentlich ist.
Korff arbeitete heraus, dass das Ästhetische keine Illustration der Geschichtsbefunde ist, sondern als Grundbedingung der historischen Erinnerung genommen werden muss. Es spiele bei der kollektiven Gedächtnisleistung eine eigenständige Rolle. Dieses Eigene des sinnlich Erfahrbaren dürfe nicht in Fortsetzung der Erblast der klassischen Ästhetik nur vom Kognitiven aus gesehen oder nur als Kunst verstanden werden. Es gehe auch nicht um Plakate, Briefmarken, Trachten oder Bräuche, sondern um wirkmächtige Kulturmuster wie Sprache, besonders die Volkssprache, und um Religion, etwa Wallfahrten.[16] Das kulturelle Gedächtnis werde in Form von Mythen und Legenden transportiert, in denen nicht Authentizität transportiert wird, sondern Überlieferung.
Daraus leitet sich für unser Thema die Frage ab, was wären für den Humanismus solcherart Überlieferungen, um welche Mythen und Legenden geht es hier (wo doch viele in ihm vor allem das Freisein von Mythenbetonen) und was findet sich außerhalb von Schriftkultur und Kunst Wesentliches zum Humanismus?
Unterscheidung von Erinnerungs- und Geschichtskultur
Nähern wir uns dem Problem durch eine pragmatische Unterscheidung von Erinnerungs- und Geschichtskultur.[17] Erinnerung ist erstens ein persönlicher, mit der eigenen Biographie zusammenhängender Erfahrungsvorgang. Diese je individuelle Aneignung ist der eigentliche Effekt jeder Erinnerungskultur. Das Problem hat viele Dimensionen. An einem Tagebucheintrag von Franz Kafka am 2. August 1914 soll dies angedeutet werden: „Deutschland hat Russland den Krieg erklärt – Nachmittags Schwimmschule.“[18]
Erst dadurch, dass diese persönliche Erinnerung Kafkas von seinen Nachlassverwaltern gegen den Willen des Verfassers hineingegeben wurde in eine kollektive Gedächtnisdeutung, er selbst wünschte diese Notizen vernichtet, wurden die acht Worte kommunikativ relevant. Empirisch verifizierbar an diesem Eintrag ist nur die Kriegserklärung. Ob Kafka wirklich schwimmen war und der ganze Rest, der um diesen Eintrag später rankt, ist Fremddeutung.[19]
Der Politikwissenschaftler Wolfgang Kraushaar hat deshalb umgekehrt – also von der Geschichtswissenschaft ausgehend – 1999 den Interpretationsvorgang wie folgt zugespitzt: Der Zeitzeuge sei der natürliche Feind des Historikers.[20]
Diese subjektive Sicht betrifft sicher auch die Humanisten der Renaissance, wenn sie sich persönlich äußerten, etwa über das schlechte Latein ihrer Kontrahenten oder deren Haarschnitte und so bei ihren Zeitgenossen den Eindruck erweckten, sie wären arrogant. Waren sie das? Was sagt uns das heute?
Erinnerung ist zweitens ein kollektiver Aneignungs- und Deutungsprozess.[21] Man teilt mit Anderen bestimmte Erinnerungen, sei es Familie, Generation oder Nation. Man nimmt an Geschichte teil, auch an der überindividuellen Erfahrungsbildung, die zudem eine Ausprägung von Urteilen ist. Das Problem ist hier, dass Erfahrungen meist in den jeweiligen Gruppen transportiert werden, mit denen die Angehörigen anderer Gruppen nicht viel anfangen können, weil sie diese Erfahrungen nicht haben und deshalb anders urteilen, gar nicht verstehen können, was dies anderen bedeutet.[22]
Das soll an einem Beispiel angedeutet werden, das dem Buch Bildung und Kultur des Historikers Georg Bollenbeck entnommen ist. Um 1750, der Zeit des beginnenden „Neuhumanismus“, ein Begriff des Bildungshistorikers Friedrich Paulsen von 1885 – also 135 Jahre später geprägt –, las man den Messias von Klopstock wie ein „Andachtsbuch“[23] und Händels gleichnamige Messe war ein christliches Ereignis.
Für uns heute ist das in der Regel Kunst, kein Teil von Gottesdienst. Auch die Museen, Theater und Konzertsäle sind heute keine „ästhetischen Kirchen“ mehr.[24] Die einen deuten diesen Vorgang als Säkularisierung der Religion durch ihre Verflüssigung in Kunst, andere als humanistische Aneignung einer antiken Form öffentlicher Kommunikation. Aber weder die Erfahrungen der Antike noch des „Neuhumanismus“ können heute ungebrochen zu unseren werden.
Drittens ist die Herausbildung der Geschichtswissenschaft selbst ein humanistisches Ereignis. Menschen beschreiben zurückliegendes menschliches Handeln auf möglichst sachliche und authentische Art, nicht als Mythos, Legende oder Roman. Antike Autoren kennen diese Bearbeitungs- und Mitteilungsform so noch nicht, denn die wissenschaftliche Bearbeitung von Vergangenheiten und deren öffentliche Präsentation erfolgt nach bestimmten Regeln der historischen Disziplinen, die sich wesentlich erst im 19. Jahrhundert ausbilden, wenn auch noch als Geschichte der Haupt- und Staatsereignisse und deshalb bestimmten Interessen unterworfen. Aber es bilden sich die Quellenkritik (die Ermittlung der belegbaren Wahrheit), Standpunktreflexion (das Wissen um die Perspektivengebundenheit jeder sozialwissenschaftlichen Forschung) aus und das Bewusstsein von Historizität der historischen Erkenntnis selbst.
Es findet aber stets eine Auswahl statt, an was erinnert werden soll. Doch nicht dies soll hier das anzusprechende Problem sein, sondern die Präsentation der Ergebnisse. Das schriftgebundene Prinzip des schwarz auf weiß und die Objektpräsentation in den traditionellen Museen haben aktuell ihr Monopol an das medialen Zwängen unterworfene Bild, ganze Bildabfolgen, Filme verloren.[25]
Es gilt in den Medien, in Film und Fernsehen, gerade dort, wo es nicht um Fiktion, sondern um Dokumentation geht, zwar die Regel, dass man nicht lügen soll. Es gelten aber nicht unbedingt die Kriterien der Wissenschaft, sondern – wenn man so will – die Regeln industrieller und postindustrieller Produktionsverhältnisse (Modell und Serie, Normierung und Passfähigkeit, Bedürfnis und Marktbedarf, Unterhaltungswert und Konsumierbarkeit).
Einen Vorrang in diesen medialen Prozessen haben vor allem die Personalisierungen und die Psychologisierungen der historischen Erklärung bekommen (z. B. „Hitlers Frauen“). Es wird vorrangig die Emotion angesprochen, die Illusion des persönlichen Dabei-Seins erzeugt, das persönliche Verstehen verlangt, bis hin zum Bedürfnis und Spiel nachträglichen Eingreifens.
Hier passiert der Erfahrungsvorgang: Das Persönliche wird im Zuge der geschichtswissenschaftlichen Analyse zum Überpersönlichen, geht dann aber in der Darstellungsform zurück ins Persönliche. Es ist dieser Vorgang insofern ein humanistisches Produkt, als die gesamte Geschichte des Humanismus als eine von Individualisierungen, als Entdeckung der einmaligen Person mit ihren Rechten auf Teilhabe und der je eigenen Sicht gelesen werden kann.
Erinnerungskultur – um das Ergebnis festzuhalten – leistet einen eigenständigen Beitrag zum (kognitiven) Geschichtsbewusstsein, das mit vorhandenen Bildern umzugehen lernen muss. Sie ist nicht nur Illustration geschichtswissenschaftlicher Befunde.[26] Geschichtskultur wiederum bezieht Kulturen des Erinnerns auf den stattfindenden historischen Prozess, will selbst Teil der Geschichte sein und diese durch Erinnerungsauswahl gestalten. Sie ist umfassender als Erinnerungskultur und reicht über diese hinaus, schon weil Geschichtspolitik zu ihren Bestandteilen gehört.[27] In ihr werden Machtfragen bewegt und entschieden.[28]
Wer erinnert wann und wie und womit an was? Wer entscheidet, ob ein Bismarckturm oder ein Krieger-Denkmal oder eine Lenin-Statue bleibt, ob z. B. ein Opfer- oder Täter-Ort erinnert wird,[29] obwohl beide oft identisch sind. Hier wird entschieden, ob man einen Erinnerungs-Ort verhindert (kein Rudolf Heß-Grab) oder auslöscht (wie lange noch Horst Wessel-Grab), welche historische Personen auf Geldscheinen erscheinen, welche Gedenktage es gibt und wie sie von wem begangen werden und welche Rituale damit verbunden sind (Luxemburg-Liebknecht-Demo).[30] Es geht hier um öffentliche Nachrufe, Schweigeminuten und Kranzniederlegungen. Was wird zur Staatsfeier erhoben, wer hält die Rede – bis hin zu der bevorstehenden 500-Jahr-Feier der Reformation: Wer erinnert hier wen an was?
Wie jede Kultur, so hat auch die Geschichtskultur ihre handelnden Subjekte (Personen und Personengruppen) mit ihren jeweiligen Kulturvorstellungen und wertenden Urteilen. Sie hat aber auch ihre Objekte. Wenn über eine Geschichtskultur des Humanismus nachgedacht wird, so kommen zahlreiche Objekte ins Gedächtnis, wo dieser vorkommen sollte: Ausstellungen, Filme, Dokumentarfilme, Reportagen und Kommentare in Rundfunk und Fernsehen, Presse, Politische Magazine, Unterhaltungsblätter, Gedenkstätten, Friedhöfe, Denkmale, Ehrenhaine, Hinweisschilder, Straßennamen, Museen …
Zwei Dimensionen von Humanismus in einer künftigen Geschichtskultur
Doch wie soll Humanismus geschichtskulturell präsentiert werden? Bei der Beantwortung dieser Frage liegen die Hauptprobleme im Humanismus selbst. Am Beispiel der Museen ist das bereits angedeutet worden: Wenn museale Darstellungen ein Produkt der Moderne sind, weil hier – z. B. – ein ausgestellter christlicher Märtyrer als Zeuge für einen konkreten und historisch verifizierbaren Vorgang genommen wird, und sei es, um Heiligenverehrung zu illustrieren, ist er kein Objekt der Anbetung mehr. Käme die Figur in eine Kirche zurück, wäre das anders. Das Humanistische, das nun auszustellen wäre in einem Museum, müsste diesen Vorgang verstehbar machen.
Das gilt auch für andere Kulturbereiche, die in großen Teilen in der Antike innoviert und dann vom Staatschristentum verboten wurden oder einfach „abstarben“. Auf sie in der Renaissance zurückgegriffen zu haben ist eine große Leistung des Humanismus und in unserer Geschichtskultur weitgehend ungewürdigt. Darzustellen wäre, wie die Akademien – von Kaiser Justinian im 6. Jh. u. Z. verboten – neu belebt wurden. Gleiches betrifft die öffentlichen Wettspiele – ebenfalls im 6. Jh. verboten –, bekannt durch die Olympischen Spiele. Gegenstand wäre, wie Tragödie, Komödie, Epische Rezitation, Gesang und öffentliche Rede ebenso neu entdeckt wurden wie die gelehrte Debatte, das Symposion, von Platon im Gastmahl plastisch als alkoholgestützte Geselligkeit beschrieben, die zugleich eine kulturhistorische Wende hin zum gemäßigten Rausch markiert. Weitere Rückgriffe können aufgezählt werden: Schule, Universität, Lyzeum und „Freundschaftsbünde“,[31] später die Feuerbestattung.
Sicher, moderner Humanismus ging über diese Vorbilder hinaus, bildete neue sozialkulturelle Formen aus, aber es ist die Dimension umrissen, um die es bei einer humanistischen Geschichtskultur geht. Doch damit sind zugleich einige Forschungs- und Darstellungsprobleme verbunden.
Erstens geht es sozusagen um eine Aneignung der Aneignung. Damit ist gemeint, dass das Bild der Renaissance selbst ein auswählender Traditionsbezug war. 1860 veröffentlichte der Kunst- und Kulturhistoriker Jacob Burckhardt das Werk Die Cultur der Renaissance in Italien, das die gesellschaftlichen Veränderungen am Ausgang des Mittelalters und den damit einhergehenden Wandel im Staat-Kirche-Verhältnis, besonders aber die Ausbildung des individuellen Menschen beschrieb. Damit wurde dieser zunächst kunstgeschichtliche Begriff zu einer Epochenbezeichnung, zumal Burckhardt ein Gesamtbild der italienischen Renaissancegesellschaft gab und die Bewegung des italienischen Humanismus als maßgeblich für die Moderne in Europa herausstellte.[32] Jede geschichtskulturelle Ambition muss sich zwangsläufig auf dieses historische Abbild beziehen und mögliche neue Sichtweisen kenntlich machen.
Zweitens würde der historische Bezug auf diese Kulturaneignung der Antike der Säkularisierungsdebatte eine ganz neue Dimension verleihen, in dem sie ihr die Frage stellt, ob die „Säkularisierungsthese“ nicht doch nur eine jeweils zeitbedingt wiederholte Metapher ist, der zum Beleg der historische Realverlauf fehlt. So bekam die Säkularisierungsthese ihre Schübe jeweils durch staatspolitische Veränderungen, die der Interpretation bedurften, so die Säkularisation von 1803, der Kulturkampf 1872–1888, die Weimarer Reichsverfassung mit ihrer nachfolgenden Heroisierung der Weltlichkeit versus Kirchlichkeit (weltliche Schulen, weltliche Bestattungen usw.), aktuell die Kirchenfinanzierung, das Anwachen der Zahl der Konfessionsfreien, die Zurückweisung der Gegenthese von der „Rückkehr der Religion“.
Drittens war die Herausbildung unserer aktuellen säkular geprägten Institutionen ein dialektischer und keinesfalls ein linearer Vorgang, der nicht nur einfach als fortschreitende Humanisierung von Gesellschaft ohne ihre jeweilige Gegentendenzen und regionalen Besonderheiten zu erfassen ist. Mehr noch, es sind überhaupt die Kriterien zu bestimmen, ob eine Humanisierung vorliegt, etwa der Kriegsführung oder der Religionen, der Medizin, der Arbeit, des Umgangs mit Tieren, von Körperlichkeit und Sexualität, der Kinder- und Erwachsenenbildung, der Rechtsverhältnisse, der Anerkennung von Interkulturalität und weiterer Lebens- und Gesellschaftsbereiche. Das ist insofern schwierig, als die Ausbildung dieser Bereiche wohl selbst schon Humanisierung ausdrückt.[33]
DDR-Humanismus
Eine Geschichtskultur in Deutschland, in der Humanismus vorkommt, kann nicht nur die Sichtweise der alten Bundesrepublik zum Ausgangspunkt haben. Sie muss sich bewusst sein, dass Humanismus in den zwei deutschen Kulturen unterschiedlich, ja konträr gesehen, behandelt und dargestellt wurde.[34]
Deshalb soll abschließend ein Vorgang in Erinnerung gerufen werden, der bei einer „Humanistischen Geschichtskultur“ nicht zu vergessen wäre. Das sind die gesellschaftlichen und staatlichen Kulte in der DDR, deren gesamtes Kultursystem. Im Gegensatz zur Bundesrepublik – wo auf Christlich-Kirchliches zurückgegriffen wurde und wo inzwischen der Sport, Insonderheit der Fußball, diese Rolle eingenommen hat – war Humanismus im Verständnis der DDR eine Staatsaufgabe, selbstredend eingebunden in das jeweilige Konzept vom Sozialismus.
Es ist dies ablesbar am ersten Parteiprogramm der SED, dem Goethe-Jahr 1949, an vielen staatspolitischen Ereignissen, Tagungen des Staatsrates über Humanismus und Kultur, bis zum Luther-Jahr 1983. Selbst die Mauer bekam 1961 eine „humanistische Begründung“, von den Jugendweihen und der Bestattungskultur ganz zu schweigen. Das macht eine Geschichtskultur des Humanismus in Deutschland heute nicht einfacher.
„Humanismus“ diente bis in die 1970er Jahre hinein der kulturellen Legitimation der Gesellschaftspolitik. Viele Ideen wurden bewegt, die bis zum Ende des Staates wirkten. Sie fanden sogar in den beiden Verfassungen der DDR von 1949 („wahre Humanität“) und 1968 („sozialistischer Humanismus“) ihren Niederschlag, damit die DDR in der Welt alleinstellend. Das hat den Begriff allerdings politisch diskreditiert und in der Wendezeit längere Zeit zu einem „ostdeutschen“ gemacht.
Der Gebrauch des Wortes „Humanismus“ und dessen geschichtskulturelle Präsentation geht von den Volksfrontdebatten vor Ausbruch des Zweiten Weltkrieges 1939 aus, hinein in die Vorbereitungen der KPD im Moskauer Exil 1943–1945 auf das Nachkriegsdeutschland und die Gründung der SED 1946. Es gab in bürgerlichen Widerstandskreisen auch Vorschläge zu einem „theonomen Humanismus“ bzw. einem neuen christlichen Denken über Humanität aus dem Umfeld von Alfred Delp im Kreisauer Kreis. Später wurde Albert Schweitzer der DDR nicht nur von Christen als Humanist breit verehrt. Es gab bis in die frühen 1950er zahlreiche Publikationen über Humanismus von Anton Ackermann, Johannes R. Becher, Victor Klemperer, Heinrich Deiters und in den 1960ern von Wilhelm Girnus, Alfred Kurella und anderen, die sich nicht einfach unter Propagandaliteratur rubrizieren lassen.[35]
Beispiel „Humanistengemeinden“
Die bisher angestellten Erwägungen bewegen sich auf einer geschichtskulturell schwer praktisch zu presentierenden Ebene, bei der ja immer zu fragen ist, welche Objekte können für sich selbst sprechen. Deshalb im Folgenden die Idee, kleinteiliger zu beginnen, z. B. mit einer Ausstellung über die „Humanistengemeinden“ als kulturelle Bewegung an der Wende zum 20. Jh. in Deutschland, speziell die in Berlin.[36]
Am 16. September 1887 gründete der freireligiöse Prediger Georg Siegfried Schäfer (1833–1904), ein ausgebildeter Lehrer und zeitweilig sogar Schulrektor, mit etwa 200 Gleichgesinnten die Berliner Humanistengemeinde als eine Abspaltung aus der Freireligiösen Gemeinde. 1894 gab es in Berlin kurzzeitig sogar 1.600 organisierte Humanisten, meist Männer, aber auch viele Frauen.
Die Berliner Gruppe wurde zur Keimzelle der Deutschen Gesellschaft für Ethische Kultur (1892), die 1914 etwa 850 Mitglieder in acht Regionalgruppen hatte, mit berühmten Mitgliedern, z. B. der Astronom Wilhelm Foerster, der ihr Gründer und erster Vorsitzender war; sein Sohn, der Philosoph und Pazifist Friedrich Wilhelm Foerster, der 1904 den Namen „Lebenskunde“ erfindet; der Soziologe Ferdinand Tönnies; die Sozialistin Lily Braun, der kantianische Ethiker Friedrich Jodl, der den Verein in Österreich etabliert und dort Wilhelm Börner fördert, der zuerst über „weltliche Seelsorge“ nachdenkt; der Fabrikant Ernst Abbe in Jena, der die Verbindung zu anderen sozialreformerischen Unternehmern um die „Volkswohl“-Bewegung ausbaut …
Zunächst bot die Humanistengemeinde populäre Vorträge und wissenschaftliche Debatten – aber ohne „ohne zu ‘andächteln’“, wie Schäfers Nachfolger Dr. Rudolph Penzig in seinem 1907 erschienenen, damals viel gelesenen Buch Ohne Kirche. Eine Lebensführung auf eigenem Wege schrieb.[37] Ohne Penzig hätte es in den 1920er Jahren in Deutschland keine weltlichen Schulen gegeben, gäbe es heute keinen Ethikunterricht und in Berlin keine Humanistische Lebenskunde. Denn es war vor allem ihm zu verdanken, dass Kulturethiker 1906 den Deutschen Bund für weltliche Schule und Moralunterricht gründeten.[38] Dieser forderte „die Verwirklichung der weltlichen Schule und die Einführung eines rein menschlich-natürlichen Moralunterrichts“. Der Bund erreichte bis 1914 immerhin 2.000 Mitglieder („mehr als die Hälfte Lehrer“, wie sich Penzig 1930 erinnerte) und 42 Körperschaften.
Penzig leitete den Verlag für ethische Kultur und gab die Zeitschrift Ethische Kultur (1893–1936) sowie deren Beilagen Kinderland (1903–1918) und Weltliche Schule (1908–1921) heraus. Unter seiner Leitung gründete der Verein viele Volksbibliotheken. Auf ihn geht auch die Berliner Stadtbibliothek zurück. Penzig stellte mit Bona Peiser die erste Bibliothekarin in Deutschland ein. An sie erinnert eine kleine, viel zu hoch hängende Tafel in der Rungestraße, Ecke Brückenstraße in Berlin-Mitte.
Politische Vorschläge
In diesem Text wurde versucht darzustellen, dass Humanismus noch keine eigene Geschichtskultur hat und er in der in Staat und Gesellschaft präsentierten Geschichtskultur fehlt. Daran anschließende Forderungen, dies zu ändern, sollten nicht zu kurz greifen:
Erstens sollte das Projekt einer Enzyklopädie des Humanismus, das Hubert Cancik 2010 unterbreitet hat,[39] durch ein Konzept ergänzt werden, wie die Befunde geschichtskulturell zu präsentieren wären. Dafür sollten vom Bundesstaat ähnliche Mittel zur Verfügung gestellt wie für vergleichbare Projekte.
Zweitens stünde es der Stadt Berlin gut zu Gesicht, wenn sie das die Hauptstadt prägende humanistische Erbe, etwa der Humanistengemeinden, in einer Ausstellung und anderen geeigneten Formen im Stadtbild würdigt.[40]
Drittens muss eine Humanismus-Ausstellung in einem repräsentativen deutschen Museum gefordert werden – warum nicht in Ergänzung zur Luther-Dekade, der historischen wie kulturellen Gerechtigkeit und der Pluralität in Deutschland zuliebe.
Fußnoten
- Vgl. Deutscher Bundestag Drucksache 16/7000. 16. Wahlperiode, 11.12.2007. Schlussbericht der Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“, http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/16/070/1607000.pdf (abgefragt am 25.10.2011). – Vgl. dazu den Artikel „Laizismus und Kultur“ in diesem Band. ↑
- Vgl. Deutscher Bundestag Drucksache 17/6465. 17. Wahlperiode, 6.7.2011: Das Reformationsjubiläum im Jahre 2017 – Ein Ereignis von Weltrang, http://www.bundestag.de/bundestag/ausschuesse17/a22/berichte/Reformationsjubil__um_2017/antrag.pdf (abgefragt am 1.11.2011). ↑
- Vgl. Hannes Stekl: Politische Feste und nationale Feiertage in Deutschland. In: Beiträge zur Historischen Sozialkunde, Wien 1996, 26. Jg., H. 1, S. 20–26. ↑
- Vgl. Enno Rudolph: Humanismus – ein gescheitertes Projekt? In: Humanistik. Beiträge zum Humanismus. Hrsg. von Horst Groschopp. Aschaffenburg 2011 (Schriftenreihe der Humanistischen Akademie Deutschland, Bd. 4), S. 47–53. ↑
- Vgl. http://www.rp-online.de/politik/Integration-soll-sich-an-deutscher-Leitkultur-orientieren_aid_919073.html (abgerufen am 1.11.2011). – Insgesamt trug Seehofer sieben konservative Positionen zur deutschen Zuwanderungspolitik vor. „Humanismus“ wurde dafür einvernommen. ↑
- Typisches Beispiel einer streng historischen Würdigung ist die Reuchlin-Ausstellung im Museum Pforzheim. – Vgl. http://www.pforzheim.de/kultur-bildung/museen/museum-johannes-reuchlin/print (abgerufen am 1.11.2011). – Die Ausstellung 2011 im Albrecht-Dürer-Haus in Nürnberg „Die gottlosen Maler von Nürnberg Graphik von Sebald und Barthel Beham“ stand unter dem Thema „Transzendenz und Gemeinsinn“ und sah das Werk vor allem kritisch. Vgl. http://www.museen.nuernberg.de/presseservice/presseinfos-2011/duererhaus-gottlose-maler.html (abgerufen am 1.11.2011). – Vgl. allgemein Herbert Hötte: Das historische Museum in Bewegung. Das Museum für Hamburgische Geschichte. Eine Fallstudie. Hamburg / München 2001. ↑
- Thomas E. Fischer: Geschichte der Geschichtskultur. Über den öffentlichen Gebrauch von Vergangenheit von den antiken Hochkulturen bis zur Gegenwart. Köln 2000. ↑
- Vgl. Maurice Halbwachs: Das kollektive Gedächtnis. Frankfurt a.M. 1991. ↑
- Vgl. Kultur und Gedächtnis. Hrsg. von Jan Assmann und Tonio Hölscher. Frankfurt a.M. 1988. – Jan Assmann: Erinnern, um dazuzugehören. Kulturelles Gedächtnis, Zugehörigkeitsstruktur und normative Vergangenheit. In: Generation und Gedächtnis. Erinnerungen und kollektive Identitäten. Hrsg. von Kristin Platt / Mihran Dabag, unter Mitwirkung von Susanne Heil. Opladen 1995, S. 51–75. – Ders.: Das kulturelle Gedächtnis. Schrift, Erinnerung und politische Identität in frühen Hochkulturen. München 2000. – Religion und kulturelles Gedächtnis. Zehn Studien. München 2000. ↑
- Vgl. Aby Warburg: Werke in einem Band. Auf der Grundlage der Manuskripte und Handexemplare hrsg. und kommentiert von Martin Treml / Sigrid Weigel /Perdita Ladwig. Berlin 2010. ↑
- Vgl. Alaida Assmann: Erinnerungsräume. Formen und Wandlungen des kulturellen Gedächtnisses. München 1999. – Diess. / Ute Frevert: Geschichtsvergessenheit – Geschichtsversessenheit. Vom Umgang mit deutschen Vergangenheiten nach 1945. Stuttgart 1999. – Medien des Gedächtnisses. Hrsg. von Alaida Assmann. Stuttgart / Weimar 1998 (Deutsche Vierteljahrsschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte 72, Sonderheft). – Diess.: Zeit und Tradition. Kulturelle Strategien der Dauer. Köln 1999. ↑
- Pierre Nora: Zwischen Geschichte und Gedächtnis. Frankfurt a.M. 1998. ↑
- Vgl. Jörn Rüsen: Geschichtsbewusstsein. Köln 2001. – Ders.: Geschichtskultur. In: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht, Seelze-Velber 1995, H. 9, S. 513 ff. – Geschichtskultur als Forschungsproblem. In: Handbuch der Geschichtsdidaktik. Hrsg. von Klaus Bergmann / Klaus Fröhlich / Annette Kuhn / Jörn Rüsen / Gerhard Schneider, 5., überarb. Auflage. Seelze-Velber 1997, S.39–50. – Was ist Geschichtskultur? Überlegungen zu einer neuen Art, über Geschichte nachzudenken. In: Historische Faszination, Geschichtskultur heute. Hrsg. von Klaus Füßmann / Heinrich Theodor Grütter / Jörn Rüsen. Köln 1994, S. 3–26. – Westliches Geschichtsdenken. Eine interkulturelle Debatte. Hrsg. von Jörn Rüsen. Göttingen 1999. ↑
- Es war dies generell eine Debatte über „Kulturgeschichte“. – Vgl. Georg G. Iggers: Deutsche Geschichtswissenschaft. Wien 1997. – Ders.: Geschichtswissenschaft im 20. Jahrhundert. Göttingen 1996. – Hans-Ulrich Wehler: Die Herausforderungen der Kulturgeschichte. München 1998. – Ute Daniel: Clio unter Kulturschock. Zu den aktuellen Debatten der Geschichtswissenschaft. In: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht (GWU), Velber 1997, Bd. 48, S. 195–219 u. S. 259–278. – Diess.: Kompendium Kulturgeschichte. Theorien, Praxis, Schlüsselwörter. Frankfurt a.M. 2001. – Carola Lipp: Politische Kultur oder das Politische und Gesellschaftliche in der Kultur. In: Kulturgeschichte heute. Hrsg. von Wolfgang Hardtwig / Hans-Ulrich Wehler. Göttingen 1996, S. 78–110 (Geschichte und Gesellschaft, Sonderheft 16). – Otto Gerhard Oexle: Geschichte als Historische Kulturwissenschaft. In: Kulturgeschichte heute, S. 15–40. – Diese Debatte hatte in der DDR ihre Entsprechungen, vgl. Horst Groschopp: Geschichte der ostdeutschen Kulturwissenschaft. Auf der Suche nach dem historischen Subjekt für sozialistische Kultur. Erinnerungen an die Arbeiterkulturforschung in der DDR. In: Kulturation, Online Journal für Kultur, Wissenschaft und Politik, Berlin 2006, Ausgabe 1, http://www.kulturation.de/ki_1_thema.php?id=82, (abgerufen am 11.11.2011). ↑
- Vgl. Gottfried Korff: Kulturelle Überlieferung und mémoire collective. Bemerkungen zum Rüsenschen Konzept der „Geschichtskultur“. In: Geschichtskultur, Pfaffenweiler 1992, S. 51–62. – Ders: Musealisierung total? Notizen zu einem Trend, der die Institution, nach der er benannt ist, hinter sich gelassen hat. In: Historische Faszination, S. 129–144. ↑
- Vgl. Reisekultur. Von der Pilgerfahrt zum modernen Tourismus. Hrsg. von Hermann Bausinger / Klaus Beyrer / Gottfried Korff. München1999. ↑
- Vgl. Lucian Hölscher: Geschichte als „Erinnerungskultur“. In: Generation und Gedächtnis, S. 146–168. ↑
- Peter-André Alt: Franz Kafka: Der ewige Sohn. München 2005, S. 385. ↑
- Dass persönliche Erinnerungen eine wesentliche Quelle der Geschichtsforschung sein können, vgl. Wolfgang Schivelbusch: Die Kultur der Niederlage. Berlin 2001. ↑
- Vgl. Die Geburt des Zeitzeugen nach 1945. Hrsg. von Martin Sabrow / Norbert Frei. Göttingen 2012. ↑
- John Urry: Wie erinnern sich Gesellschaften ihrer Vergangenheit? In: Geschichtskultur in der Zweiten Moderne. Hrsg. für das Deutsche Historische Museum von Rosmarie Beier, Frankfurt a.M. / New York 2000, S. 29–52. ↑
- Das Problem wird aktuell an der „Historisierung“ von Nationalsozialismus und Holocaust diskutiert, vgl. Dana Giesecke / Harald Welzer: Das Menschenmögliche. Zur Renovierung der deutschen Erinnerungskultur. Hamburg 2012. ↑
- Georg Bollenbeck: Bildung und Kultur. Glanz und Elend eines deutschen Deutungsmusters. Frankfurt a.M., Leipzig 1994, S. 105. ↑
- Bollenbeck: Bildung, S. 214. ↑
- Hier wären einige Ausführungen über den geänderten Platz von Museen in der Gegenwartskultur angebracht, worauf verzichtet werden muss. – Vgl. Wolfgang Jacobmeyer: Labor, Schaubühne, Identitätsfabrik, Musentempel, Lernort. Die Institution Museum als didaktische Herausforderung. In: Geschichtskultur, Theorie – Empirie – Pragmatik. Hrsg. von Bernd Mütter / Bernd Schönemann / Uwe Uffelmann, Weinheim 2000, S. 142–155. – Heinrich Theodor Grütter: Die Präsentation der Vergangenheit. Zur Darstellung von Geschichte in historischen Museen und Ausstellungen. Warum fasziniert die Vergangenheit? Perspektiven einer neuen Geschichtskultur. In: Historische Faszination, S. 45–57, 173–187. – Thomas Ernst: Postmoderne Geschichtskultur. In: Geschichtskultur, S. 63–76. ↑
- Vgl. Konrad H. Jarausch / Martin Sabrow: Verletztes Gedächtnis. Erinnerungskultur und Zeitgeschichte im Konflikt. Frankfurt a.M. 2002. ↑
- Edgar Wolfrum: Geschichte als Waffe. Vom Kaiserreich bis zur Wiedervereinigung. Göttingen 2001. – Peter Steinbach: Geschichte im politischen Kampf. Bonn 2012. ↑
- Vgl. Wolfgang Hardtwig: Erinnerung, Wissenschaft, Mythos. Nationale Geschichtsbilder und politische Symbole in der Reichsgründungsära und im Kaiserreich. In: Ders., Geschichtskultur und Wissenschaft. München 1990, S. 224–263. ↑
- Ulrich Borsdorf / Heinrich Theodor Grütter: Orte der Erinnerung: Denkmal. Gedenkstätte, Museum. Frankfurt a.M. 1999. – Etienne Francois / Hagen Schulze: Deutsche Erinnerungsorte. 3 Bände. München 2001. – Das ist derzeit sehr gut an der unterschiedlichen Pflege und der Teilhabe der Besucher im Umkreis von Bad Frankenhausen zu beobachten, wo sich Bauernkriegserinnerung und Kyffhäuser-Denkmal im einem ungleichen Wettstreit befinden – die Geschlagenen von 1525 verlieren klar gegen die Kaiser-Wilhelm-Schau. ↑
- Emil Brix: Kontinuität und Wandel im öffentlichen Gedenken in den Staaten Mitteleuropas. In: Der Kampf um das Gedächtnis, Öffentliche Gedenktage in Mitteleuropa. Hrsg. von Emil Brix / Hannes Stekl, Wien 1997, S. 13 ff. – Historische Gedenkjahre im politischen Bewusstsein. Identitätskritik und Identitätsbildung in Öffentlichkeit und Unterricht. Hrsg. von Karl Pellens. Stuttgart 1992. ↑
- So Hubert Cancik in einem Brief vom 15. März 2007 an den Autor. ↑
- Vgl. Jacob Burckhardt: Die Kultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch (1860). Berlin 2004. ↑
- Vgl. David Lowenthal: „History” und „heritage”. Widerstreitende und konvergente Formen der Vergangenheitsbetrachtung. In: Geschichtskultur in der Zweiten Moderne, S. 71–94. ↑
- Vgl. Alf Lüdtke: Die DDR als Geschichte. Zur Geschichtsschreibung über die DDR. In: Aus Politik und Zeitgeschichte, Bonn 1998, H. 36, S. 3 ff. ↑
- All dies wird der Autor in einem für 2013 zur Veröffentlichung geplanten Buch weiter ausführen. ↑
- Vgl. Horst Groschopp: Dissidenten. Freidenker und Kultur in Deutschland. 2. verb. Aufl., Marburg 2011, S. S. 149 ff. ↑
- Vgl. Rudolph Penzig: Ohne Kirche. Eine Lebensführung auf eigenem Wege. Mit einem Geleitwort von Wilhelm Bölsche. Jena 1907. ↑
- Eine weitere Innovation der Kulturethiker war der „Deutsche Bund für Mutterschutz und Sexualreform“. – Vgl. Groschopp: Dissidenten, S. 265 ff. ↑
- Vgl. Hubert Cancik: Bilder, Namen, Begriffe. Vorüberlegungen zu einer Enzyklopädie des Humanismus. In: Humanistik, S. 22–46. ↑
- Eine Möglichkeit, wie dies zu machen wäre, vgl. „Kein Jenseits ist, kein Aufersteh’n“. Freireligiöse in der Berliner Kulturgeschichte. Begleitbuch zur gleichnamigen Ausstellung im Prenzlauer Berg Museum Berlin vom 7. Juli 1998 bis 31. Januar 1999. Berlin 1998. ↑
Quelle: Horst Groschopp: Humanismus und Geschichtskultur. Ansprüche an eine moderne Erinnerungskultur. In: Ders. (Hrsg.): Humanismus – Laizismus – Geschichtskultur. Aschaffenburg 2013, S. 167–182 (Schriftenreihe der Humanistischen Akademie Berlin, Bd. 6).