Humanismus und Geschichtskultur

Ansprüche an eine moderne Erinnerungskultur

Lutherehrung 2017 – und der Humanismus?

In der gro­ßen Kul­tur-Enquete des Deut­schen Bun­des­ta­ges vom Dezem­ber 2007 kommt der Begriff Huma­nis­mus nicht ein ein­zi­ges Mal vor,[1] umso mehr wur­den die Kir­chen als Kul­tur­trä­ger gewür­digt. Vier Jah­re spä­ter, am Abend des 20. Okto­ber 2011, beschloss der Deut­sche Bun­des­tag ein­stim­mig die För­de­rung des Luther-Jah­res 2017. Damit ent­sprach das Par­la­ment nach der ers­ten Lesung einem frak­ti­ons­über­grei­fen­den Antrag vom Juli. Dort war bean­tragt wor­den, das 500. Jubi­lä­um der Refor­ma­ti­on als ein kirch­li­ches und kul­tur­ge­schicht­li­ches „Ereig­nis von Welt­rang“ durch die Bun­des­re­gie­rung umfas­send zu för­dern.[2]

Es sei dahin­ge­stellt, dass hier in den Fest­ka­len­der Deutsch­lands ein­ge­grif­fen wird,[3] der Bun­des­staat eine Reli­gi­on pri­vi­le­giert und auch, dass es sich hier tat­säch­lich um ein „Ereig­nis von Welt­rang“ han­delt, das dif­fe­ren­ziert zu betrach­ten ist. Viel zu wenig wird z. B. die Ein­ge­bun­den­heit die­ser Ereig­nis­se in den begin­nen­den Früh­ka­pi­ta­lis­mus (Stich­wort: Fug­ger) und die fis­ka­li­schen Fürs­ten­in­ter­es­sen gese­hen. Beson­ders aber vom Huma­nis­mus der Renais­sance her gese­hen und vom Stand­punkt des moder­nen Huma­nis­mus war der Sieg der Refor­ma­ti­on in eini­gen deut­schen Län­dern und der Aus­bau katho­li­scher Herr­schaf­ten in den and­ren eine epo­cha­le Nie­der­la­ge, die durch die pro­tes­tan­ti­sche Kir­chen­bil­dung eine bis heu­te fort­wir­ken­de, in vie­len Zügen, beson­ders was die Deut­schen Chris­ten vor und wäh­rend des Natio­nal­so­zia­lis­mus betrifft, gera­de­zu anti­hu­ma­nis­ti­sche Nach­hal­tig­keit gewann.

Luther und die Refor­ma­ti­on rich­te­ten sich nicht nur gegen die Römi­sche Kurie, gegen Gemein­den, die dann acht Jah­re spä­ter im Bau­ern­krieg auf­be­gehr­ten und deren blu­ti­ge Nie­der­la­ge Luther fei­er­te, und gegen die Juden, son­dern auch gegen die Auf­ge­schlos­sen­heit des Huma­nis­mus für die Phi­lo­so­phie der Anti­ke, etwa schon in Luthers Kampf gegen die „Schlan­ge“ Aris­to­te­les in der Hei­del­ber­ger Dis­pu­ta­ti­on von 1518, und vor allem gegen die huma­nis­ti­sche Ver­tei­di­gung der mensch­li­chen Frei­heit durch Eras­mus von Rot­ter­dam im Dezem­ber 1525 in Luthers sich gegen das Wahl­ver­mö­gen der Men­schen rich­ten­den Schrift Gegen den geknech­te­ten Wil­len.[4]

In den weni­gen öffent­li­chen kri­ti­schen Anmer­kun­gen zu die­sem Beschluss des Bun­des­ta­ges spie­len huma­nis­ti­sche Ein­wän­de bis­her kei­ne Rol­le. Das ver­wun­dert auch gar nicht, steht doch das öffent­li­che Bewusst­sein von dem, was unter Huma­nis­mus tra­di­tio­nell ver­stan­den wird, in Kon­trast zum moder­nen Huma­nis­mus-Ver­ständ­nis, das in die­sem eine kul­tur­his­to­ri­sche Bewe­gung sieht, die eine Aneig­nung der schon im Alten Rom von der katho­li­schen Staats­re­li­gi­on unter­drück­ten heid­ni­schen Anti­ke dar­stellt, die in der Renais­sance auf­kommt und das freie Indi­vi­du­um ent­de­cken lässt.

Die­se Rück­be­sin­nung endet nicht mit dem Neu­hu­ma­nis­mus und deren Anti­ke­an­eig­nung in dem Sin­ne, dass nach Her­der, Schil­ler, Goe­the usw. nichts mehr käme, son­dern lebt, etwa in der kul­tu­rel­len Idee der Men­schen­wür­de und Men­schen­rech­te, bis heu­te fort. Doch wer sich umschaut, fin­det Huma­nis­mus in der Regel nur ein­ge­schränkt als Pfle­ge eines nahe­zu toten Erbes, als ledig­lich gym­na­si­al und muse­al fort­le­ben­des Artefakt.

Nir­gends zeigt sich die­se Sicht kla­rer als in den jüngs­ten Debat­ten über eine jüdisch-christ­li­che deut­sche Leit­kul­tur. Es war aus­ge­rech­net der katho­li­sche Baye­ri­sche Minis­ter­prä­si­dent Horst See­ho­fer, der anmerk­te, dass es ja auch noch den Huma­nis­mus gibt.[5] Aber er mein­te sicher den Huma­nis­mus, wie er in der baden-würt­tem­ber­gi­schen staat­li­chen Stif­tung Huma­nis­mus heu­te ver­stan­den wird, näm­lich als Päd­ago­gik der grie­chi­schen und latei­ni­schen Sprache.

Es sind in dem hier kurz Geschil­der­ten durch­aus Zei­chen für eine Kri­se zu sehen – zumin­dest des Anse­hens von Huma­nis­mus in der Gesell­schaft. Huma­nis­mus kommt in der deut­schen Geschichts­kul­tur nahe­zu nicht vor. Die weni­gen Aus­stel­lun­gen der letz­ten Jah­re, bei denen zumin­dest im Unter­ti­tel „Huma­nis­mus“ vor­kam, berich­te­ten meist über Fürs­ten­ge­schich­ten oder Kunst­samm­lun­gen in einer Ten­denz,[6] die Huma­nis­mus vor­wirft, an einem Man­gel an Tran­szen­denz zu leiden.

Es lei­det aber unse­re Gesell­schaft, näm­lich an einem Man­gel an Huma­nis­mus nicht nur in der Geschichts­kul­tur. Nicht nur sie, son­dern auch der Staat könn­te gewin­nen, wenn ange­sichts von 35 Pro­zent Kon­fes­si­ons­frei­en, von denen eine Mehr­heit huma­nis­ti­sche Lebens­ma­xi­men ganz selbst­ver­ständ­lich lebt, auch die Tra­di­ti­on die­ser Kul­tur ange­mes­sen vor­kä­me und gewür­digt würde.

Um die­se The­se zu begrün­den, wird im Fol­gen­den zunächst an einem Gelehr­ten­streit Anfang der 1990er Jah­re dar­ge­stellt, wor­um es sich bei Geschichts­kul­tur han­delt und war­um in die­ser die Erin­ne­rungs­kul­tur davon abhängt, dass sich mensch­li­che Sub­jek­te des über­kom­me­nen Erbes über­haupt anneh­men, das heißt auch aus­wäh­len. Dann wird argu­men­tiert, war­um es so schwer ist, die Kul­tur des Huma­nis­mus anschau­lich abzu­bil­den. Dazu ist dann eine Anmer­kung zur DDR nötig. Schließ­lich wird vor­ge­schla­gen, mit einer geschichts­kul­tu­rel­len Prä­sen­ta­ti­on der „Huma­nis­ten­ge­mein­den“ um 1900 zu begin­nen. Abschlie­ßend wer­den drei poli­ti­sche For­de­run­gen unterbreitet.

Was ist Geschichtskultur?

Anfang der 1990er Jah­re fand eine brei­te bun­des­deut­sche Debat­te über Geschichts­kul­tur statt.[7] Ihre Gegen­stän­de gin­gen wesent­lich zurück auf eine 1957 in Stutt­gart publi­zier­te Schrift des fran­zö­si­schen Sozio­lo­gen und Phi­lo­so­phen Mau­rice Halb­wachs von 1939, der im März 1945 im KZ Buchen­wald zu Tode kam: Das kol­lek­ti­ve Gedächt­nis (Stutt­gart).[8] Er unter­schied – und das ist durch­aus auf das The­ma Huma­nis­mus anzu­wen­den – kol­lek­ti­ve Erin­ne­rung, leben­di­ge Tra­di­ti­on und his­to­ri­sches Wissen.

Dar­an knüpf­te etli­che Jah­re spä­ter (1988) der Ägyp­to­lo­ge Jan Ass­mann an, zunächst in einem gemein­sa­men Sam­mel­band mit Tonio Höl­scher Kul­tur und Gedächt­nis.[9] Hier ver­öf­fent­lich­te er einen Auf­satz unter dem Titel Kol­lek­ti­ves Gedächt­nis und kul­tu­rel­le Iden­ti­tät. Die dort ent­wi­ckel­te Sicht­wei­se haben dann er und sei­ne Frau Alai­da in zahl­rei­chen Mono­gra­phien aus­ge­baut und sich dabei auf Aby War­burgs The­se gestützt,[10] Kul­tur sei ein sozia­les Erin­ne­rungs­or­gan.[11]

Drei The­sen von Ass­mann sind hier wich­tig: Die Erin­ne­rung ist ers­tens selbst kul­tu­rell geformt; obwohl wir in einer Schrift­kul­tur leben domi­niert zwei­tens in Erin­ne­rungs­kul­tu­ren vor­wie­gend das Bild­ge­dächt­nis; drit­tens: kei­ne Erin­ne­rung ohne deren Pflege.

Ass­mann bezog sich in sei­nen Arbei­ten kon­struk­tiv-kri­tisch auf das Buch des Mit­be­grün­ders der fran­zö­si­schen Men­ta­li­täts­ge­schich­te Pierre Nora Zwi­schen Geschich­te und Gedächt­nis (1990).[12] Der His­to­ri­ker leg­te dar, es gäbe in moder­nen Gesell­schaf­ten eine Beschleu­ni­gung der Geschich­te mit dem Ergeb­nis eines ver­stüm­mel­ten Gedächt­nis­ses durch Auf­he­bung der Erleb­nis­zu­sam­men­hän­ge. Denn, so Noras durch­aus rich­ti­ge Beob­ach­tung, die „Gedächt­nis­ge­mein­schaf­ten“ zer­fal­len und somit wer­den die Gedächt­nis­or­te zu Über­res­ten kul­tu­rel­ler Über­lie­fe­rung. Die­se wür­den einer päd­ago­gi­schen Pflicht­an­eig­nung unter­wor­fen, bei der die Men­schen nicht mehr selbst ent­schei­den kön­nen, was bedeut­sam war oder für sie selbst gera­de ist. Es wird ihnen beigebracht.

Für unser The­ma ist die Fol­ge­rung ganz ele­men­tar: Wenn an Huma­nis­mus nie­mand mehr erin­nert, gab es ihn letzt­lich gar nicht, jeden­falls ist er dann nicht in der Erin­ne­rung kol­lek­ti­ver Sub­jek­te. Wenn der deut­schen Gesell­schaft nie­mand etwas über Huma­nis­mus erzählt, kann sie davon gar nichts wissen.

Noras Hin­weis auf die päd­ago­gi­sche Vor­auswahl des­sen, an was erin­nert wird, rief nach dem Deut­schen His­to­ri­ker­tag 1976 den His­to­ri­ker Jörn Rüsen auf den Plan mit sei­nem wis­sen­schaft­li­chen Groß­pro­jekt der Geschichts­kul­tur.[13] Er plä­dier­te ange­sichts der von Nora geschil­der­ten Lage für eine dann auch wirk­lich ver­nunft­ge­lei­te­te his­to­ri­sche Erin­ne­rung. Logisch, dass er dar­aus fol­ger­te, die Erin­ne­run­gen sei­en in die Befun­de der moder­nen Geschichts­wis­sen­schaft mit ihren – wie er mein­te – objek­ti­ven Maß­stä­ben ein­zu­ord­nen und zu bewerten.

Rüsen bestimm­te „Geschichts­kul­tur“ als eine „Fun­da­men­tal­ka­te­go­rie“, weil hier der Sitz des his­to­ri­schen Den­kens im rea­len Leben bestimmt wer­de. Die Hin­wen­dung zur Geschichts­kul­tur sei nicht nur ein Zeug­nis des Inter­es­se­wan­dels weg von der Gesellschafts‑, hin zur Kul­tur­ana­ly­se, son­dern die Kate­go­rie habe in die Kon­text­ab­hän­gig­keit der his­to­ri­schen For­schung neu ein­ge­führt und zugleich den Hori­zont der Geschichts­di­dak­tik erwei­tert (Schul­bü­cher und Bil­dungs­ar­beit, aber auch neue Berufs­fel­der für His­to­ri­ker als „Kul­tur­ar­bei­ter“).

Das Geschichts­be­wusst­sein sei nun nicht mehr auf kogni­ti­ve Vor­gän­ge redu­ziert, was, wie noch gezeigt wird, Kul­tur­wis­sen­schaft­lern nicht weit genug for­mu­liert war. Rüsen mein­te, das habe auch Fol­gen für die kul­tu­rel­le Hand­lungs­kom­pe­tenz des His­to­ri­kers und Leh­rers. sie erstre­cke sich auf grö­ße­re Pra­xis­fel­der. Zugleich wür­den sich neue Phä­no­men­be­rei­che der Theo­rie öff­nen, vor allem hin­sicht­lich des nun brei­te­ren Ver­ständ­nis­ses von Erin­ne­rungs­ar­beit und Erfah­rungs­deu­tung, ein­ge­schlos­sen eine neue Rhe­to­rik des His­to­ri­schen, bis hin zur Aus­bil­dung einer Poli­tik der his­to­ri­schen Inter­pre­ta­ti­on. Das his­to­ri­sche Argu­men­tie­ren befreie sich von der Zwangs­bin­dung an das Schrift­li­che, wobei der bewuss­te (poli­ti­sche) Gebrauch des his­to­ri­schen Mate­ri­als von unbe­wuss­ten Kon­tex­ten ihres Wir­kens, etwa in Par­la­ments- und Fest­re­den, zu unter­schei­den sei.

Inzwi­schen hat­te sich eben­falls seit den 1970ern par­al­lel dazu unter Her­mann Baus­in­ger eine Tübin­ger kul­tur­wis­sen­schaft­lich-eth­no­lo­gi­sche Schu­le gebil­det.[14] Aus ihr ging unter ande­rem der Volks­kund­ler Gott­fried Korff her­vor,[15] der an Rüsens Kon­zept eini­ge Kri­tik äußer­te, die für den Zusam­men­hang von Huma­nis­mus und Geschichts­kul­tur wesent­lich ist.

Korff arbei­te­te her­aus, dass das Ästhe­ti­sche kei­ne Illus­tra­ti­on der Geschichts­be­fun­de ist, son­dern als Grund­be­din­gung der his­to­ri­schen Erin­ne­rung genom­men wer­den muss. Es spie­le bei der kol­lek­ti­ven Gedächt­nis­leis­tung eine eigen­stän­di­ge Rol­le. Die­ses Eige­ne des sinn­lich Erfahr­ba­ren dür­fe nicht in Fort­set­zung der Erb­last der klas­si­schen Ästhe­tik nur vom Kogni­ti­ven aus gese­hen oder nur als Kunst ver­stan­den wer­den. Es gehe auch nicht um Pla­ka­te, Brief­mar­ken, Trach­ten oder Bräu­che, son­dern um wirk­mäch­ti­ge Kul­tur­mus­ter wie Spra­che, beson­ders die Volks­spra­che, und um Reli­gi­on, etwa Wall­fahr­ten.[16] Das kul­tu­rel­le Gedächt­nis wer­de in Form von Mythen und Legen­den trans­por­tiert, in denen nicht Authen­ti­zi­tät trans­por­tiert wird, son­dern Überlieferung.

Dar­aus lei­tet sich für unser The­ma die Fra­ge ab, was wären für den Huma­nis­mus sol­cher­art Über­lie­fe­run­gen, um wel­che Mythen und Legen­den geht es hier (wo doch vie­le in ihm vor allem das Frei­sein von Mythen­be­to­nen) und was fin­det sich außer­halb von Schrift­kul­tur und Kunst Wesent­li­ches zum Humanismus?

Unter­schei­dung von Erin­ne­rungs- und Geschichtskultur

Nähern wir uns dem Pro­blem durch eine prag­ma­ti­sche Unter­schei­dung von Erin­ne­rungs- und Geschichts­kul­tur.[17] Erin­ne­rung ist ers­tens ein per­sön­li­cher, mit der eige­nen Bio­gra­phie zusam­men­hän­gen­der Erfah­rungs­vor­gang. Die­se je indi­vi­du­el­le Aneig­nung ist der eigent­li­che Effekt jeder Erin­ne­rungs­kul­tur. Das Pro­blem hat vie­le Dimen­sio­nen. An einem Tage­buch­ein­trag von Franz Kaf­ka am 2. August 1914 soll dies ange­deu­tet wer­den: „Deutsch­land hat Russ­land den Krieg erklärt – Nach­mit­tags Schwimm­schu­le.“[18]

Erst dadurch, dass die­se per­sön­li­che Erin­ne­rung Kaf­kas von sei­nen Nach­lass­ver­wal­tern gegen den Wil­len des Ver­fas­sers hin­ein­ge­ge­ben wur­de in eine kol­lek­ti­ve Gedächt­nis­deu­tung, er selbst wünsch­te die­se Noti­zen ver­nich­tet, wur­den die acht Wor­te kom­mu­ni­ka­tiv rele­vant. Empi­risch veri­fi­zier­bar an die­sem Ein­trag ist nur die Kriegs­er­klä­rung. Ob Kaf­ka wirk­lich schwim­men war und der gan­ze Rest, der um die­sen Ein­trag spä­ter rankt, ist Fremd­deu­tung.[19]

Der Poli­tik­wis­sen­schaft­ler Wolf­gang Kraus­haar hat des­halb umge­kehrt – also von der Geschichts­wis­sen­schaft aus­ge­hend – 1999 den Inter­pre­ta­ti­ons­vor­gang wie folgt zuge­spitzt: Der Zeit­zeu­ge sei der natür­li­che Feind des His­to­ri­kers.[20]

Die­se sub­jek­ti­ve Sicht betrifft sicher auch die Huma­nis­ten der Renais­sance, wenn sie sich per­sön­lich äußer­ten, etwa über das schlech­te Latein ihrer Kon­tra­hen­ten oder deren Haar­schnit­te und so bei ihren Zeit­ge­nos­sen den Ein­druck erweck­ten, sie wären arro­gant. Waren sie das? Was sagt uns das heute?

Erin­ne­rung ist zwei­tens ein kol­lek­ti­ver Aneig­nungs- und Deu­tungs­pro­zess.[21] Man teilt mit Ande­ren bestimm­te Erin­ne­run­gen, sei es Fami­lie, Gene­ra­ti­on oder Nati­on. Man nimmt an Geschich­te teil, auch an der über­in­di­vi­du­el­len Erfah­rungs­bil­dung, die zudem eine Aus­prä­gung von Urtei­len ist. Das Pro­blem ist hier, dass Erfah­run­gen meist in den jewei­li­gen Grup­pen trans­por­tiert wer­den, mit denen die Ange­hö­ri­gen ande­rer Grup­pen nicht viel anfan­gen kön­nen, weil sie die­se Erfah­run­gen nicht haben und des­halb anders urtei­len, gar nicht ver­ste­hen kön­nen, was dies ande­ren bedeu­tet.[22]

Das soll an einem Bei­spiel ange­deu­tet wer­den, das dem Buch Bil­dung und Kul­tur des His­to­ri­kers Georg Bol­len­beck ent­nom­men ist. Um 1750, der Zeit des begin­nen­den „Neu­hu­ma­nis­mus“, ein Begriff des Bil­dungs­his­to­ri­kers Fried­rich Paul­sen von 1885 – also 135 Jah­re spä­ter geprägt –, las man den Mes­si­as von Klop­stock wie ein „Andachts­buch“[23] und Hän­dels gleich­na­mi­ge Mes­se war ein christ­li­ches Ereignis.

Für uns heu­te ist das in der Regel Kunst, kein Teil von Got­tes­dienst. Auch die Muse­en, Thea­ter und Kon­zert­sä­le sind heu­te kei­ne „ästhe­ti­schen Kir­chen“ mehr.[24] Die einen deu­ten die­sen Vor­gang als Säku­la­ri­sie­rung der Reli­gi­on durch ihre Ver­flüs­si­gung in Kunst, ande­re als huma­nis­ti­sche Aneig­nung einer anti­ken Form öffent­li­cher Kom­mu­ni­ka­ti­on. Aber weder die Erfah­run­gen der Anti­ke noch des „Neu­hu­ma­nis­mus“ kön­nen heu­te unge­bro­chen zu unse­ren werden.

Drit­tens ist die Her­aus­bil­dung der Geschichts­wis­sen­schaft selbst ein huma­nis­ti­sches Ereig­nis. Men­schen beschrei­ben zurück­lie­gen­des mensch­li­ches Han­deln auf mög­lichst sach­li­che und authen­ti­sche Art, nicht als Mythos, Legen­de oder Roman. Anti­ke Autoren ken­nen die­se Bear­bei­tungs- und Mit­tei­lungs­form so noch nicht, denn die wis­sen­schaft­li­che Bear­bei­tung von Ver­gan­gen­hei­ten und deren öffent­li­che Prä­sen­ta­ti­on erfolgt nach bestimm­ten Regeln der his­to­ri­schen Dis­zi­pli­nen, die sich wesent­lich erst im 19. Jahr­hun­dert aus­bil­den, wenn auch noch als Geschich­te der Haupt- und Staats­er­eig­nis­se und des­halb bestimm­ten Inter­es­sen unter­wor­fen. Aber es bil­den sich die Quel­len­kri­tik (die Ermitt­lung der beleg­ba­ren Wahr­heit), Stand­punkt­re­fle­xi­on (das Wis­sen um die Per­spek­ti­ven­ge­bun­den­heit jeder sozi­al­wis­sen­schaft­li­chen For­schung) aus und das Bewusst­sein von His­to­ri­zi­tät der his­to­ri­schen Erkennt­nis selbst.

Es fin­det aber stets eine Aus­wahl statt, an was erin­nert wer­den soll. Doch nicht dies soll hier das anzu­spre­chen­de Pro­blem sein, son­dern die Prä­sen­ta­ti­on der Ergeb­nis­se. Das schrift­ge­bun­de­ne Prin­zip des schwarz auf weiß und die Objekt­prä­sen­ta­ti­on in den tra­di­tio­nel­len Muse­en haben aktu­ell ihr Mono­pol an das media­len Zwän­gen unter­wor­fe­ne Bild, gan­ze Bild­ab­fol­gen, Fil­me ver­lo­ren.[25]

Es gilt in den Medi­en, in Film und Fern­se­hen, gera­de dort, wo es nicht um Fik­ti­on, son­dern um Doku­men­ta­ti­on geht, zwar die Regel, dass man nicht lügen soll. Es gel­ten aber nicht unbe­dingt die Kri­te­ri­en der Wis­sen­schaft, son­dern – wenn man so will – die Regeln indus­tri­el­ler und post­in­dus­tri­el­ler Pro­duk­ti­ons­ver­hält­nis­se (Modell und Serie, Nor­mie­rung und Pass­fä­hig­keit, Bedürf­nis und Markt­be­darf, Unter­hal­tungs­wert und Konsumierbarkeit).

Einen Vor­rang in die­sen media­len Pro­zes­sen haben vor allem die Per­so­na­li­sie­run­gen und die Psy­cho­lo­gi­sie­run­gen der his­to­ri­schen Erklä­rung bekom­men (z. B. „Hit­lers Frau­en“). Es wird vor­ran­gig die Emo­ti­on ange­spro­chen, die Illu­si­on des per­sön­li­chen Dabei-Seins erzeugt, das per­sön­li­che Ver­ste­hen ver­langt, bis hin zum Bedürf­nis und Spiel nach­träg­li­chen Eingreifens.

Hier pas­siert der Erfah­rungs­vor­gang: Das Per­sön­li­che wird im Zuge der geschichts­wis­sen­schaft­li­chen Ana­ly­se zum Über­per­sön­li­chen, geht dann aber in der Dar­stel­lungs­form zurück ins Per­sön­li­che. Es ist die­ser Vor­gang inso­fern ein huma­nis­ti­sches Pro­dukt, als die gesam­te Geschich­te des Huma­nis­mus als eine von Indi­vi­dua­li­sie­run­gen, als Ent­de­ckung der ein­ma­li­gen Per­son mit ihren Rech­ten auf Teil­ha­be und der je eige­nen Sicht gele­sen wer­den kann.

Erin­ne­rungs­kul­tur – um das Ergeb­nis fest­zu­hal­ten – leis­tet einen eigen­stän­di­gen Bei­trag zum (kogni­ti­ven) Geschichts­be­wusst­sein, das mit vor­han­de­nen Bil­dern umzu­ge­hen ler­nen muss. Sie ist nicht nur Illus­tra­ti­on geschichts­wis­sen­schaft­li­cher Befun­de.[26] Geschichts­kul­tur wie­der­um bezieht Kul­tu­ren des Erin­nerns auf den statt­fin­den­den his­to­ri­schen Pro­zess, will selbst Teil der Geschich­te sein und die­se durch Erin­ne­rungs­aus­wahl gestal­ten. Sie ist umfas­sen­der als Erin­ne­rungs­kul­tur und reicht über die­se hin­aus, schon weil Geschichtspoli­tik zu ihren Bestand­tei­len gehört.[27] In ihr wer­den Macht­fra­gen bewegt und ent­schie­den.[28]

Wer erin­nert wann und wie und womit an was? Wer ent­schei­det, ob ein Bis­marck­turm oder ein Krie­ger-Denk­mal oder eine Lenin-Sta­tue bleibt, ob z. B. ein Opfer- oder Täter-Ort erin­nert wird,[29] obwohl bei­de oft iden­tisch sind. Hier wird ent­schie­den, ob man einen Erin­ne­rungs-Ort ver­hin­dert (kein Rudolf Heß-Grab) oder aus­löscht (wie lan­ge noch Horst Wes­sel-Grab), wel­che his­to­ri­sche Per­so­nen auf Geld­schei­nen erschei­nen, wel­che Gedenk­ta­ge es gibt und wie sie von wem began­gen wer­den und wel­che Ritua­le damit ver­bun­den sind (Luxem­burg-Lieb­knecht-Demo).[30] Es geht hier um öffent­li­che Nach­ru­fe, Schwei­ge­mi­nu­ten und Kranz­nie­der­le­gun­gen. Was wird zur Staats­fei­er erho­ben, wer hält die Rede – bis hin zu der bevor­ste­hen­den 500-Jahr-Fei­er der Refor­ma­ti­on: Wer erin­nert hier wen an was?

Wie jede Kul­tur, so hat auch die Geschichts­kul­tur ihre han­deln­den Sub­jek­te (Per­so­nen und Per­so­nen­grup­pen) mit ihren jewei­li­gen Kul­tur­vor­stel­lun­gen und wer­ten­den Urtei­len. Sie hat aber auch ihre Objek­te. Wenn über eine Geschichts­kul­tur des Huma­nis­mus nach­ge­dacht wird, so kom­men zahl­rei­che Objek­te ins Gedächt­nis, wo die­ser vor­kom­men soll­te: Aus­stel­lun­gen, Fil­me, Doku­men­tar­fil­me, Repor­ta­gen und Kom­men­ta­re in Rund­funk und Fern­se­hen, Pres­se, Poli­ti­sche Maga­zi­ne, Unter­hal­tungs­blät­ter, Gedenk­stät­ten, Fried­hö­fe, Denk­ma­le, Ehren­hai­ne, Hin­weis­schil­der, Stra­ßen­na­men, Museen …

Zwei Dimensionen von Humanismus in einer künftigen Geschichtskultur

Doch wie soll Huma­nis­mus geschichts­kul­tu­rell prä­sen­tiert wer­den? Bei der Beant­wor­tung die­ser Fra­ge lie­gen die Haupt­pro­ble­me im Huma­nis­mus selbst. Am Bei­spiel der Muse­en ist das bereits ange­deu­tet wor­den: Wenn musea­le Dar­stel­lun­gen ein Pro­dukt der Moder­ne sind, weil hier – z. B. – ein aus­ge­stell­ter christ­li­cher Mär­ty­rer als Zeu­ge für einen kon­kre­ten und his­to­risch veri­fi­zier­ba­ren Vor­gang genom­men wird, und sei es, um Hei­li­gen­ver­eh­rung zu illus­trie­ren, ist er kein Objekt der Anbe­tung mehr. Käme die Figur in eine Kir­che zurück, wäre das anders. Das Huma­nis­ti­sche, das nun aus­zu­stel­len wäre in einem Muse­um, müss­te die­sen Vor­gang ver­steh­bar machen.

Das gilt auch für ande­re Kul­tur­be­rei­che, die in gro­ßen Tei­len in der Anti­ke inno­viert und dann vom Staats­chris­ten­tum ver­bo­ten wur­den oder ein­fach „abstar­ben“. Auf sie in der Renais­sance zurück­ge­grif­fen zu haben ist eine gro­ße Leis­tung des Huma­nis­mus und in unse­rer Geschichts­kul­tur weit­ge­hend unge­wür­digt. Dar­zu­stel­len wäre, wie die Aka­de­mien – von Kai­ser Jus­ti­ni­an im 6. Jh. u. Z. ver­bo­ten – neu belebt wur­den. Glei­ches betrifft die öffent­li­chen Wett­spie­le – eben­falls im 6. Jh. ver­bo­ten –, bekannt durch die Olym­pi­schen Spie­le. Gegen­stand wäre, wie Tra­gö­die, Komö­die, Epi­sche Rezi­ta­ti­on, Gesang und öffent­li­che Rede eben­so neu ent­deckt wur­den wie die gelehr­te Debat­te, das Sym­po­si­on, von Pla­ton im Gast­mahl plas­tisch als alko­hol­ge­stütz­te Gesel­lig­keit beschrie­ben, die zugleich eine kul­tur­his­to­ri­sche Wen­de hin zum gemä­ßig­ten Rausch mar­kiert. Wei­te­re Rück­grif­fe kön­nen auf­ge­zählt wer­den: Schu­le, Uni­ver­si­tät, Lyze­um und „Freund­schafts­bün­de“,[31] spä­ter die Feuerbestattung.

Sicher, moder­ner Huma­nis­mus ging über die­se Vor­bil­der hin­aus, bil­de­te neue sozi­al­kul­tu­rel­le For­men aus, aber es ist die Dimen­si­on umris­sen, um die es bei einer huma­nis­ti­schen Geschichts­kul­tur geht. Doch damit sind zugleich eini­ge For­schungs- und Dar­stel­lungs­pro­ble­me verbunden.

Ers­tens geht es sozu­sa­gen um eine Aneig­nung der Aneig­nung. Damit ist gemeint, dass das Bild der Renais­sance selbst ein aus­wäh­len­der Tra­di­ti­ons­be­zug war. 1860 ver­öf­fent­lich­te der Kunst- und Kul­tur­his­to­ri­ker Jacob Bur­ck­hardt das Werk Die Cul­tur der Renais­sance in Ita­li­en, das die gesell­schaft­li­chen Ver­än­de­run­gen am Aus­gang des Mit­tel­al­ters und den damit ein­her­ge­hen­den Wan­del im Staat-Kir­che-Ver­hält­nis, beson­ders aber die Aus­bil­dung des indi­vi­du­el­len Men­schen beschrieb. Damit wur­de die­ser zunächst kunst­ge­schicht­li­che Begriff zu einer Epo­chen­be­zeich­nung, zumal Bur­ck­hardt ein Gesamt­bild der ita­lie­ni­schen Renais­sance­ge­sell­schaft gab und die Bewe­gung des ita­lie­ni­schen Huma­nis­mus als maß­geb­lich für die Moder­ne in Euro­pa her­aus­stell­te.[32] Jede geschichts­kul­tu­rel­le Ambi­ti­on muss sich zwangs­läu­fig auf die­ses his­to­ri­sche Abbild bezie­hen und mög­li­che neue Sicht­wei­sen kennt­lich machen.

Zwei­tens wür­de der his­to­ri­sche Bezug auf die­se Kul­tur­aneig­nung der Anti­ke der Säku­la­ri­sie­rungs­de­bat­te eine ganz neue Dimen­si­on ver­lei­hen, in dem sie ihr die Fra­ge stellt, ob die „Säku­la­ri­sie­rungs­the­se“ nicht doch nur eine jeweils zeit­be­dingt wie­der­hol­te Meta­pher ist, der zum Beleg der his­to­ri­sche Real­ver­lauf fehlt. So bekam die Säku­la­ri­sie­rungs­the­se ihre Schü­be jeweils durch staats­po­li­ti­sche Ver­än­de­run­gen, die der Inter­pre­ta­ti­on bedurf­ten, so die Säku­la­ri­sa­ti­on von 1803, der Kul­tur­kampf 1872–1888, die Wei­ma­rer Reichs­ver­fas­sung mit ihrer nach­fol­gen­den Heroi­sie­rung der Welt­lich­keit ver­sus Kirch­lich­keit (welt­li­che Schu­len, welt­li­che Bestat­tun­gen usw.), aktu­ell die Kir­chen­fi­nan­zie­rung, das Anwa­chen der Zahl der Kon­fes­si­ons­frei­en, die Zurück­wei­sung der Gegen­the­se von der „Rück­kehr der Religion“.

Drit­tens war die Her­aus­bil­dung unse­rer aktu­el­len säku­lar gepräg­ten Insti­tu­tio­nen ein dia­lek­ti­scher und kei­nes­falls ein linea­rer Vor­gang, der nicht nur ein­fach als fort­schrei­ten­de Huma­ni­sie­rung von Gesell­schaft ohne ihre jewei­li­ge Gegen­ten­den­zen und regio­na­len Beson­der­hei­ten zu erfas­sen ist. Mehr noch, es sind über­haupt die Kri­te­ri­en zu bestim­men, ob eine Huma­ni­sie­rung vor­liegt, etwa der Kriegs­füh­rung oder der Reli­gio­nen, der Medi­zin, der Arbeit, des Umgangs mit Tie­ren, von Kör­per­lich­keit und Sexua­li­tät, der Kin­der- und Erwach­se­nen­bil­dung, der Rechts­ver­hält­nis­se, der Aner­ken­nung von Inter­kul­tu­ra­li­tät und wei­te­rer Lebens- und Gesell­schafts­be­rei­che. Das ist inso­fern schwie­rig, als die Aus­bil­dung die­ser Berei­che wohl selbst schon Huma­ni­sie­rung aus­drückt.[33]

DDR-Humanismus

Eine Geschichts­kul­tur in Deutsch­land, in der Huma­nis­mus vor­kommt, kann nicht nur die Sicht­wei­se der alten Bun­des­re­pu­blik zum Aus­gangs­punkt haben. Sie muss sich bewusst sein, dass Huma­nis­mus in den zwei deut­schen Kul­tu­ren unter­schied­lich, ja kon­trär gese­hen, behan­delt und dar­ge­stellt wur­de.[34]

Des­halb soll abschlie­ßend ein Vor­gang in Erin­ne­rung geru­fen wer­den, der bei einer „Huma­nis­ti­schen Geschichts­kul­tur“ nicht zu ver­ges­sen wäre. Das sind die gesell­schaft­li­chen und staat­li­chen Kul­te in der DDR, deren gesam­tes Kul­tur­sys­tem. Im Gegen­satz zur Bun­des­re­pu­blik – wo auf Christ­lich-Kirch­li­ches zurück­ge­grif­fen wur­de und wo inzwi­schen der Sport, Inson­der­heit der Fuß­ball, die­se Rol­le ein­ge­nom­men hat – war Huma­nis­mus im Ver­ständ­nis der DDR eine Staats­auf­ga­be, selbst­re­dend ein­ge­bun­den in das jewei­li­ge Kon­zept vom Sozialismus.

Es ist dies ables­bar am ers­ten Par­tei­pro­gramm der SED, dem Goe­the-Jahr 1949, an vie­len staats­po­li­ti­schen Ereig­nis­sen, Tagun­gen des Staats­ra­tes über Huma­nis­mus und Kul­tur, bis zum Luther-Jahr 1983. Selbst die Mau­er bekam 1961 eine „huma­nis­ti­sche Begrün­dung“, von den Jugend­wei­hen und der Bestat­tungs­kul­tur ganz zu schwei­gen. Das macht eine Geschichts­kul­tur des Huma­nis­mus in Deutsch­land heu­te nicht einfacher.

Huma­nis­mus“ dien­te bis in die 1970er Jah­re hin­ein der kul­tu­rel­len Legi­ti­ma­ti­on der Gesell­schafts­po­li­tik. Vie­le Ideen wur­den bewegt, die bis zum Ende des Staa­tes wirk­ten. Sie fan­den sogar in den bei­den Ver­fas­sun­gen der DDR von 1949 („wah­re Huma­ni­tät“) und 1968 („sozia­lis­ti­scher Huma­nis­mus“) ihren Nie­der­schlag, damit die DDR in der Welt allein­stel­lend. Das hat den Begriff aller­dings poli­tisch dis­kre­di­tiert und in der Wen­de­zeit län­ge­re Zeit zu einem „ost­deut­schen“ gemacht.

Der Gebrauch des Wor­tes „Huma­nis­mus“ und des­sen geschichts­kul­tu­rel­le Prä­sen­ta­ti­on geht von den Volks­front­de­bat­ten vor Aus­bruch des Zwei­ten Welt­krie­ges 1939 aus, hin­ein in die Vor­be­rei­tun­gen der KPD im Mos­kau­er Exil 1943–1945 auf das Nach­kriegs­deutsch­land und die Grün­dung der SED 1946. Es gab in bür­ger­li­chen Wider­stands­krei­sen auch Vor­schlä­ge zu einem „the­o­no­men Huma­nis­mus“ bzw. einem neu­en christ­li­chen Den­ken über Huma­ni­tät aus dem Umfeld von Alfred Delp im Krei­sau­er Kreis. Spä­ter wur­de Albert Schweit­zer der DDR nicht nur von Chris­ten als Huma­nist breit ver­ehrt. Es gab bis in die frü­hen 1950er zahl­rei­che Publi­ka­tio­nen über Huma­nis­mus von Anton Acker­mann, Johan­nes R. Becher, Vic­tor Klem­pe­rer, Hein­rich Dei­ters und in den 1960ern von Wil­helm Gir­nus, Alfred Kurel­la und ande­ren, die sich nicht ein­fach unter Pro­pa­gan­da­li­te­ra­tur rubri­zie­ren las­sen.[35]

Beispiel „Humanistengemeinden“

Die bis­her ange­stell­ten Erwä­gun­gen bewe­gen sich auf einer geschichts­kul­tu­rell schwer prak­tisch zu pre­sen­tie­ren­den Ebe­ne, bei der ja immer zu fra­gen ist, wel­che Objek­te kön­nen für sich selbst spre­chen. Des­halb im Fol­gen­den die Idee, klein­tei­li­ger zu begin­nen, z. B. mit einer Aus­stel­lung über die „Huma­nis­ten­ge­mein­den“ als kul­tu­rel­le Bewe­gung an der Wen­de zum 20. Jh. in Deutsch­land, spe­zi­ell die in Ber­lin.[36]

Am 16. Sep­tem­ber 1887 grün­de­te der frei­re­li­giö­se Pre­di­ger Georg Sieg­fried Schä­fer (1833–1904), ein aus­ge­bil­de­ter Leh­rer und zeit­wei­lig sogar Schul­rek­tor, mit etwa 200 Gleich­ge­sinn­ten die Ber­li­ner Huma­nis­ten­ge­mein­de als eine Abspal­tung aus der Frei­re­li­giö­sen Gemein­de. 1894 gab es in Ber­lin kurz­zei­tig sogar 1.600 orga­ni­sier­te Huma­nis­ten, meist Män­ner, aber auch vie­le Frauen.

Die Ber­li­ner Grup­pe wur­de zur Keim­zel­le der Deut­schen Gesell­schaft für Ethi­sche Kul­tur (1892), die 1914 etwa 850 Mit­glie­der in acht Regio­nal­grup­pen hat­te, mit berühm­ten Mit­glie­dern, z. B. der Astro­nom Wil­helm Foers­ter, der ihr Grün­der und ers­ter Vor­sit­zen­der war; sein Sohn, der Phi­lo­soph und Pazi­fist Fried­rich Wil­helm Foers­ter, der 1904 den Namen „Lebens­kun­de“ erfin­det; der Sozio­lo­ge Fer­di­nand Tön­nies; die Sozia­lis­tin Lily Braun, der kan­ti­a­ni­sche Ethi­ker Fried­rich Jodl, der den Ver­ein in Öster­reich eta­bliert und dort Wil­helm Bör­ner för­dert, der zuerst über „welt­li­che Seel­sor­ge“ nach­denkt; der Fabri­kant Ernst Abbe in Jena, der die Ver­bin­dung zu ande­ren sozi­al­re­for­me­ri­schen Unter­neh­mern um die „Volkswohl“-Bewegung ausbaut …

Zunächst bot die Huma­nis­ten­ge­mein­de popu­lä­re Vor­trä­ge und wis­sen­schaft­li­che Debat­ten – aber ohne „ohne zu ‘andäch­teln’“, wie Schä­fers Nach­fol­ger Dr. Rudolph Pen­zig in sei­nem 1907 erschie­ne­nen, damals viel gele­se­nen Buch Ohne Kir­che. Eine Lebens­füh­rung auf eige­nem Wege schrieb.[37] Ohne Pen­zig hät­te es in den 1920er Jah­ren in Deutsch­land kei­ne welt­li­chen Schu­len gege­ben, gäbe es heu­te kei­nen Ethik­un­ter­richt und in Ber­lin kei­ne Huma­nis­ti­sche Lebens­kun­de. Denn es war vor allem ihm zu ver­dan­ken, dass Kul­tur­ethi­ker 1906 den Deut­schen Bund für welt­li­che Schu­le und Moral­un­ter­richt grün­de­ten.[38] Die­ser for­der­te „die Ver­wirk­li­chung der welt­li­chen Schu­le und die Ein­füh­rung eines rein mensch­lich-natür­li­chen Moral­un­ter­richts“. Der Bund erreich­te bis 1914 immer­hin 2.000 Mit­glie­der („mehr als die Hälf­te Leh­rer“, wie sich Pen­zig 1930 erin­ner­te) und 42 Körperschaften.

Pen­zig lei­te­te den Ver­lag für ethi­sche Kul­tur und gab die Zeit­schrift Ethi­sche Kul­tur (1893–1936) sowie deren Bei­la­gen Kin­der­land (1903–1918) und Welt­li­che Schu­le (1908–1921) her­aus. Unter sei­ner Lei­tung grün­de­te der Ver­ein vie­le Volks­bi­blio­the­ken. Auf ihn geht auch die Ber­li­ner Stadt­bi­blio­thek zurück. Pen­zig stell­te mit Bona Pei­ser die ers­te Biblio­the­ka­rin in Deutsch­land ein. An sie erin­nert eine klei­ne, viel zu hoch hän­gen­de Tafel in der Run­ge­stra­ße, Ecke Brü­cken­stra­ße in Berlin-Mitte.

Politische Vorschläge

In die­sem Text wur­de ver­sucht dar­zu­stel­len, dass Huma­nis­mus noch kei­ne eige­ne Geschichts­kul­tur hat und er in der in Staat und Gesell­schaft prä­sen­tier­ten Geschichts­kul­tur fehlt. Dar­an anschlie­ßen­de For­de­run­gen, dies zu ändern, soll­ten nicht zu kurz greifen:

Ers­tens soll­te das Pro­jekt einer Enzy­klo­pä­die des Huma­nis­mus, das Hubert Can­cik 2010 unter­brei­tet hat,[39] durch ein Kon­zept ergänzt wer­den, wie die Befun­de geschichts­kul­tu­rell zu prä­sen­tie­ren wären. Dafür soll­ten vom Bun­des­staat ähn­li­che Mit­tel zur Ver­fü­gung gestellt wie für ver­gleich­ba­re Projekte.

Zwei­tens stün­de es der Stadt Ber­lin gut zu Gesicht, wenn sie das die Haupt­stadt prä­gen­de huma­nis­ti­sche Erbe, etwa der Huma­nis­ten­ge­mein­den, in einer Aus­stel­lung und ande­ren geeig­ne­ten For­men im Stadt­bild wür­digt.[40]

Drit­tens muss eine Huma­nis­mus-Aus­stel­lung in einem reprä­sen­ta­ti­ven deut­schen Muse­um gefor­dert wer­den – war­um nicht in Ergän­zung zur Luther-Deka­de, der his­to­ri­schen wie kul­tu­rel­len Gerech­tig­keit und der Plu­ra­li­tät in Deutsch­land zuliebe.

Fuß­no­ten

  1. Vgl. Deut­scher Bun­des­tag Druck­sa­che 16/7000. 16. Wahl­pe­ri­ode, 11.12.2007. Schluss­be­richt der Enquete-Kom­mis­si­on „Kul­tur in Deutsch­land“, http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/16/070/1607000.pdf (abge­fragt am 25.10.2011). – Vgl. dazu den Arti­kel „Lai­zis­mus und Kul­tur“ in die­sem Band.
  2. Vgl. Deut­scher Bun­des­tag Druck­sa­che 17/6465. 17. Wahl­pe­ri­ode, 6.7.2011: Das Refor­ma­ti­ons­ju­bi­lä­um im Jah­re 2017 – Ein Ereig­nis von Welt­rang, http://www.bundestag.de/bundestag/ausschuesse17/a22/berichte/Reformationsjubil__um_2017/antrag.pdf (abge­fragt am 1.11.2011).
  3. Vgl. Han­nes Stekl: Poli­ti­sche Fes­te und natio­na­le Fei­er­ta­ge in Deutsch­land. In: Bei­trä­ge zur His­to­ri­schen Sozi­al­kun­de, Wien 1996, 26. Jg., H. 1, S. 20–26.
  4. Vgl. Enno Rudolph: Huma­nis­mus – ein geschei­ter­tes Pro­jekt? In: Huma­nis­tik. Bei­trä­ge zum Huma­nis­mus. Hrsg. von Horst Gro­schopp. Aschaf­fen­burg 2011 (Schrif­ten­rei­he der Huma­nis­ti­schen Aka­de­mie Deutsch­land, Bd. 4), S. 47–53.
  5. Vgl. http://www.rp-online.de/politik/Integration-soll-sich-an-deutscher-Leitkultur-orientieren_aid_919073.html (abge­ru­fen am 1.11.2011). – Ins­ge­samt trug See­ho­fer sie­ben kon­ser­va­ti­ve Posi­tio­nen zur deut­schen Zuwan­de­rungs­po­li­tik vor. „Huma­nis­mus“ wur­de dafür ein­ver­nom­men.
  6. Typi­sches Bei­spiel einer streng his­to­ri­schen Wür­di­gung ist die Reuch­lin-Aus­stel­lung im Muse­um Pforz­heim. – Vgl. http://www.pforzheim.de/kultur-bildung/museen/museum-johannes-reuchlin/print (abge­ru­fen am 1.11.2011). – Die Aus­stel­lung 2011 im Albrecht-Dürer-Haus in Nürn­berg „Die gott­lo­sen Maler von Nürn­berg Gra­phik von Sebald und Bart­hel Beham“ stand unter dem The­ma „Tran­szen­denz und Gemein­sinn“ und sah das Werk vor allem kri­tisch. Vgl. http://www.museen.nuernberg.de/presseservice/presseinfos-2011/duererhaus-gottlose-maler.html (abge­ru­fen am 1.11.2011). – Vgl. all­ge­mein Her­bert Höt­te: Das his­to­ri­sche Muse­um in Bewe­gung. Das Muse­um für Ham­bur­gi­sche Geschich­te. Eine Fall­stu­die. Ham­burg / Mün­chen 2001.
  7. Tho­mas E. Fischer: Geschich­te der Geschichts­kul­tur. Über den öffent­li­chen Gebrauch von Ver­gan­gen­heit von den anti­ken Hoch­kul­tu­ren bis zur Gegen­wart. Köln 2000.
  8. Vgl. Mau­rice Halb­wachs: Das kol­lek­ti­ve Gedächt­nis. Frank­furt a.M. 1991.
  9. Vgl. Kul­tur und Gedächt­nis. Hrsg. von Jan Ass­mann und Tonio Höl­scher. Frank­furt a.M. 1988. – Jan Ass­mann: Erin­nern, um dazu­zu­ge­hö­ren. Kul­tu­rel­les Gedächt­nis, Zuge­hö­rig­keits­struk­tur und nor­ma­ti­ve Ver­gan­gen­heit. In: Gene­ra­ti­on und Gedächt­nis. Erin­ne­run­gen und kol­lek­ti­ve Iden­ti­tä­ten. Hrsg. von Kris­tin Platt / Mih­ran Dabag, unter Mit­wir­kung von Susan­ne Heil. Opla­den 1995, S. 51–75. – Ders.: Das kul­tu­rel­le Gedächt­nis. Schrift, Erin­ne­rung und poli­ti­sche Iden­ti­tät in frü­hen Hoch­kul­tu­ren. Mün­chen 2000. – Reli­gi­on und kul­tu­rel­les Gedächt­nis. Zehn Stu­di­en. Mün­chen 2000.
  10. Vgl. Aby War­burg: Wer­ke in einem Band. Auf der Grund­la­ge der Manu­skrip­te und Hand­ex­em­pla­re hrsg. und kom­men­tiert von Mar­tin Treml / Sig­rid Weigel /Perdita Lad­wig. Ber­lin 2010.
  11. Vgl. Alai­da Ass­mann: Erin­ne­rungs­räu­me. For­men und Wand­lun­gen des kul­tu­rel­len Gedächt­nis­ses. Mün­chen 1999. – Diess. / Ute Fre­vert: Geschichts­ver­ges­sen­heit – Geschichts­ver­ses­sen­heit. Vom Umgang mit deut­schen Ver­gan­gen­hei­ten nach 1945. Stutt­gart 1999. – Medi­en des Gedächt­nis­ses. Hrsg. von Alai­da Ass­mann. Stutt­gart / Wei­mar 1998 (Deut­sche Vier­tel­jahrs­schrift für Lite­ra­tur­wis­sen­schaft und Geis­tes­ge­schich­te 72, Son­der­heft). – Diess.: Zeit und Tra­di­ti­on. Kul­tu­rel­le Stra­te­gien der Dau­er. Köln 1999.
  12. Pierre Nora: Zwi­schen Geschich­te und Gedächt­nis. Frank­furt a.M. 1998.
  13. Vgl. Jörn Rüsen: Geschichts­be­wusst­sein. Köln 2001. – Ders.: Geschichts­kul­tur. In: Geschich­te in Wis­sen­schaft und Unter­richt, Seel­ze-Vel­ber 1995, H. 9, S. 513 ff. – Geschichts­kul­tur als For­schungs­pro­blem. In: Hand­buch der Geschichts­di­dak­tik. Hrsg. von Klaus Berg­mann / Klaus Fröh­lich / Annet­te Kuhn / Jörn Rüsen / Ger­hard Schnei­der, 5., über­arb. Auf­la­ge. Seel­ze-Vel­ber 1997, S.39–50. – Was ist Geschichts­kul­tur? Über­le­gun­gen zu einer neu­en Art, über Geschich­te nach­zu­den­ken. In: His­to­ri­sche Fas­zi­na­ti­on, Geschichts­kul­tur heu­te. Hrsg. von Klaus Füß­mann / Hein­rich Theo­dor Grüt­ter / Jörn Rüsen. Köln 1994, S. 3–26. – West­li­ches Geschichts­den­ken. Eine inter­kul­tu­rel­le Debat­te. Hrsg. von Jörn Rüsen. Göt­tin­gen 1999.
  14. Es war dies gene­rell eine Debat­te über „Kul­tur­ge­schich­te“. – Vgl. Georg G. Iggers: Deut­sche Geschichts­wis­sen­schaft. Wien 1997. – Ders.: Geschichts­wis­sen­schaft im 20. Jahr­hun­dert. Göt­tin­gen 1996. – Hans-Ulrich Weh­ler: Die Her­aus­for­de­run­gen der Kul­tur­ge­schich­te. Mün­chen 1998. – Ute Dani­el: Clio unter Kul­tur­schock. Zu den aktu­el­len Debat­ten der Geschichts­wis­sen­schaft. In: Geschich­te in Wis­sen­schaft und Unter­richt (GWU), Vel­ber 1997, Bd. 48, S. 195–219 u. S. 259–278. – Diess.: Kom­pen­di­um Kul­tur­ge­schich­te. Theo­rien, Pra­xis, Schlüs­sel­wör­ter. Frank­furt a.M. 2001. – Caro­la Lipp: Poli­ti­sche Kul­tur oder das Poli­ti­sche und Gesell­schaft­li­che in der Kul­tur. In: Kul­tur­ge­schich­te heu­te. Hrsg. von Wolf­gang Hardt­wig / Hans-Ulrich Weh­ler. Göt­tin­gen 1996, S. 78–110 (Geschich­te und Gesell­schaft, Son­der­heft 16). – Otto Ger­hard Oex­le: Geschich­te als His­to­ri­sche Kul­tur­wis­sen­schaft. In: Kul­tur­ge­schich­te heu­te, S. 15–40. – Die­se Debat­te hat­te in der DDR ihre Ent­spre­chun­gen, vgl. Horst Gro­schopp: Geschich­te der ost­deut­schen Kul­tur­wis­sen­schaft. Auf der Suche nach dem his­to­ri­schen Sub­jekt für sozia­lis­ti­sche Kul­tur. Erin­ne­run­gen an die Arbei­ter­kul­tur­for­schung in der DDR. In: Kul­tu­ra­ti­on, Online Jour­nal für Kul­tur, Wis­sen­schaft und Poli­tik, Ber­lin 2006, Aus­ga­be 1, http://www.kulturation.de/ki_1_thema.php?id=82, (abge­ru­fen am 11.11.2011).
  15. Vgl. Gott­fried Korff: Kul­tu­rel­le Über­lie­fe­rung und mémoi­re coll­ec­ti­ve. Bemer­kun­gen zum Rüsen­schen Kon­zept der „Geschichts­kul­tur“. In: Geschichts­kul­tur, Pfaf­fen­wei­ler 1992, S. 51–62. – Ders: Musea­li­sie­rung total? Noti­zen zu einem Trend, der die Insti­tu­ti­on, nach der er benannt ist, hin­ter sich gelas­sen hat. In: His­to­ri­sche Fas­zi­na­ti­on, S. 129–144.
  16. Vgl. Rei­se­kul­tur. Von der Pil­ger­fahrt zum moder­nen Tou­ris­mus. Hrsg. von Her­mann Baus­in­ger / Klaus Bey­rer / Gott­fried Korff. München1999.
  17. Vgl. Luci­an Höl­scher: Geschich­te als „Erin­ne­rungs­kul­tur“. In: Gene­ra­ti­on und Gedächt­nis, S. 146–168.
  18. Peter-André Alt: Franz Kaf­ka: Der ewi­ge Sohn. Mün­chen 2005, S. 385.
  19. Dass per­sön­li­che Erin­ne­run­gen eine wesent­li­che Quel­le der Geschichts­for­schung sein kön­nen, vgl. Wolf­gang Schi­vel­busch: Die Kul­tur der Nie­der­la­ge. Ber­lin 2001.
  20. Vgl. Die Geburt des Zeit­zeu­gen nach 1945. Hrsg. von Mar­tin Sab­row / Nor­bert Frei. Göt­tin­gen 2012.
  21. John Urry: Wie erin­nern sich Gesell­schaf­ten ihrer Ver­gan­gen­heit? In: Geschichts­kul­tur in der Zwei­ten Moder­ne. Hrsg. für das Deut­sche His­to­ri­sche Muse­um von Ros­ma­rie Bei­er, Frank­furt a.M. / New York 2000, S. 29–52.
  22. Das Pro­blem wird aktu­ell an der „His­to­ri­sie­rung“ von Natio­nal­so­zia­lis­mus und Holo­caust dis­ku­tiert, vgl. Dana Gies­ecke / Harald Wel­zer: Das Men­schen­mög­li­che. Zur Reno­vie­rung der deut­schen Erin­ne­rungs­kul­tur. Ham­burg 2012.
  23. Georg Bol­len­beck: Bil­dung und Kul­tur. Glanz und Elend eines deut­schen Deu­tungs­mus­ters. Frank­furt a.M., Leip­zig 1994, S. 105.
  24. Bol­len­beck: Bil­dung, S. 214.
  25. Hier wären eini­ge Aus­füh­run­gen über den geän­der­ten Platz von Muse­en in der Gegen­warts­kul­tur ange­bracht, wor­auf ver­zich­tet wer­den muss. – Vgl. Wolf­gang Jacob­mey­er: Labor, Schau­büh­ne, Iden­ti­täts­fa­brik, Musen­tem­pel, Lern­ort. Die Insti­tu­ti­on Muse­um als didak­ti­sche Her­aus­for­de­rung. In: Geschichts­kul­tur, Theo­rie – Empi­rie – Prag­ma­tik. Hrsg. von Bernd Müt­ter / Bernd Schö­ne­mann / Uwe Uffel­mann, Wein­heim 2000, S. 142–155. – Hein­rich Theo­dor Grüt­ter: Die Prä­sen­ta­ti­on der Ver­gan­gen­heit. Zur Dar­stel­lung von Geschich­te in his­to­ri­schen Muse­en und Aus­stel­lun­gen. War­um fas­zi­niert die Ver­gan­gen­heit? Per­spek­ti­ven einer neu­en Geschichts­kul­tur. In: His­to­ri­sche Fas­zi­na­ti­on, S. 45–57, 173–187. – Tho­mas Ernst: Post­mo­der­ne Geschichts­kul­tur. In: Geschichts­kul­tur, S. 63–76.
  26. Vgl. Kon­rad H. Jarausch / Mar­tin Sab­row: Ver­letz­tes Gedächt­nis. Erin­ne­rungs­kul­tur und Zeit­ge­schich­te im Kon­flikt. Frank­furt a.M. 2002.
  27. Edgar Wolf­rum: Geschich­te als Waf­fe. Vom Kai­ser­reich bis zur Wie­der­ver­ei­ni­gung. Göt­tin­gen 2001. – Peter Stein­bach: Geschich­te im poli­ti­schen Kampf. Bonn 2012.
  28. Vgl. Wolf­gang Hardt­wig: Erin­ne­rung, Wis­sen­schaft, Mythos. Natio­na­le Geschichts­bil­der und poli­ti­sche Sym­bo­le in der Reichs­grün­dungs­ära und im Kai­ser­reich. In: Ders., Geschichts­kul­tur und Wis­sen­schaft. Mün­chen 1990, S. 224–263.
  29. Ulrich Bors­dorf / Hein­rich Theo­dor Grüt­ter: Orte der Erin­ne­rung: Denk­mal. Gedenk­stät­te, Muse­um. Frank­furt a.M. 1999. – Eti­en­ne Fran­cois / Hagen Schul­ze: Deut­sche Erin­ne­rungs­or­te. 3 Bän­de. Mün­chen 2001. – Das ist der­zeit sehr gut an der unter­schied­li­chen Pfle­ge und der Teil­ha­be der Besu­cher im Umkreis von Bad Fran­ken­hau­sen zu beob­ach­ten, wo sich Bau­ern­kriegs­er­in­ne­rung und Kyff­häu­ser-Denk­mal im einem unglei­chen Wett­streit befin­den – die Geschla­ge­nen von 1525 ver­lie­ren klar gegen die Kai­ser-Wil­helm-Schau.
  30. Emil Brix: Kon­ti­nui­tät und Wan­del im öffent­li­chen Geden­ken in den Staa­ten Mit­tel­eu­ro­pas. In: Der Kampf um das Gedächt­nis, Öffent­li­che Gedenk­ta­ge in Mit­tel­eu­ro­pa. Hrsg. von Emil Brix / Han­nes Stekl, Wien 1997, S. 13 ff. – His­to­ri­sche Gedenk­jah­re im poli­ti­schen Bewusst­sein. Iden­ti­täts­kri­tik und Iden­ti­täts­bil­dung in Öffent­lich­keit und Unter­richt. Hrsg. von Karl Pel­lens. Stutt­gart 1992.
  31. So Hubert Can­cik in einem Brief vom 15. März 2007 an den Autor.
  32. Vgl. Jacob Bur­ck­hardt: Die Kul­tur der Renais­sance in Ita­li­en. Ein Ver­such (1860). Ber­lin 2004.
  33. Vgl. David Lowen­thal: „Histo­ry” und „heri­ta­ge”. Wider­strei­ten­de und kon­ver­gen­te For­men der Ver­gan­gen­heits­be­trach­tung. In: Geschichts­kul­tur in der Zwei­ten Moder­ne, S. 71–94.
  34. Vgl. Alf Lüd­tke: Die DDR als Geschich­te. Zur Geschichts­schrei­bung über die DDR. In: Aus Poli­tik und Zeit­ge­schich­te, Bonn 1998, H. 36, S. 3 ff.
  35. All dies wird der Autor in einem für 2013 zur Ver­öf­fent­li­chung geplan­ten Buch wei­ter aus­füh­ren.
  36. Vgl. Horst Gro­schopp: Dis­si­den­ten. Frei­den­ker und Kul­tur in Deutsch­land. 2. verb. Aufl., Mar­burg 2011, S. S. 149 ff.
  37. Vgl. Rudolph Pen­zig: Ohne Kir­che. Eine Lebens­füh­rung auf eige­nem Wege. Mit einem Geleit­wort von Wil­helm Böl­sche. Jena 1907.
  38. Eine wei­te­re Inno­va­ti­on der Kul­tur­ethi­ker war der „Deut­sche Bund für Mut­ter­schutz und Sexu­al­re­form“. – Vgl. Gro­schopp: Dis­si­den­ten, S. 265 ff.
  39. Vgl. Hubert Can­cik: Bil­der, Namen, Begrif­fe. Vor­über­le­gun­gen zu einer Enzy­klo­pä­die des Huma­nis­mus. In: Huma­nis­tik, S. 22–46.
  40. Eine Mög­lich­keit, wie dies zu machen wäre, vgl. „Kein Jen­seits ist, kein Aufersteh’n“. Frei­re­li­giö­se in der Ber­li­ner Kul­tur­ge­schich­te. Begleit­buch zur gleich­na­mi­gen Aus­stel­lung im Prenz­lau­er Berg Muse­um Ber­lin vom 7. Juli 1998 bis 31. Janu­ar 1999. Ber­lin 1998.

Quel­le: Horst Gro­schopp: Huma­nis­mus und Geschichts­kul­tur. Ansprü­che an eine moder­ne Erin­ne­rungs­kul­tur. In: Ders. (Hrsg.): Huma­nis­mus – Lai­zis­mus – Geschichts­kul­tur. Aschaf­fen­burg 2013, S. 167–182 (Schrif­ten­rei­he der Huma­nis­ti­schen Aka­de­mie Ber­lin, Bd. 6).