Vorwort
Wenn Humanismus die Ausbildung und Umsetzung der in den Bedeutungen von humanitas liegenden Werturteile und Prinzipien ist, dann kann Humanisierung als eine historisch angelegte geistige, sozialkulturelle, politische usw. Bewegung gesehen werden, die sich der „Barmherzigkeit“, „Menschenwürde“ und „Menschenbildung“ widmet und als Leitideen ausformt und anwendet. Das Ganze ist dann ein weites und offenes Feld und verweist auf zahlreiche Gegenstände der Praxis und der Erörterung.
Der vorliegende Sammelband will zu diesem Diskurs etwas beitragen und publiziert einige Texte, die aus verschiedenen Zusammenhängen der Tätigkeit der Humanistischen Akademie 2012/13 stammen. Da sind erstens drei Beiträge (Hubert Cancik, Eric Hilgendorf und Hartmut Kreß der Konferenz Humanismus und Rechtskultur – Was sind menschenwürdige Gesetze? Sie fand am 3. November 2012 in Berlin statt, veranstaltet von der Politischen Akademie der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) in Kooperation mit der Humanistischen Akademie Deutschland (HAD).
Es war dies die 13. und bedauerlicherweise letzte jährliche Konferenz dieser Art. Bis 2006 war die Humanistische Akademie Berlin der Partner. Über ein Jahrzehnt wurde nicht nur regelmäßig im November vor wachsendem Publikum politische Bildungsarbeit geleistet, sondern wurden strategische Fragestellungen einer humanistischen Konfessionsfreienpolitik öffentlich erörtert. Themen waren die Säkularisierungsthese, die Staat-Kirche-Trennung, Patientenverfügungen und Sterbehilfe, das „Böckenförde-Diktum“, Humanismusperspektiven, die Stellung von Weltanschauungsgemeinschaften und Humanistik, überhaupt die wissenschaftliche Beschäftigung mit dem Humanismus.
Der Beitrag von Siegfried Reck entstand in unmittelbarer Reaktion auf die Konferenz 2012.
Die Humanistische Akademie hat aus allen Tagungen Publikationen gemacht, zuerst zwölf Jahre in der Reihe humanismus aktuell und dann seit 2009 in eigenen Schriftenreihen, in deren Ausgaben sich der vorliegende Band einordnet.[1]
Eine zweite Quelle, aus der dieser Band schöpft (Heinz-Bernhardt Wohlfarth, Horst Junginger) ist das 4. Colloquium Humanismusforschung der Humanistischen Akademie Berlin vom 7./8. Dezember 2012. Dort ging es um Humanismus im aktuellen Wertestreit – Welcher Humanismus kann eine Zukunft haben? Die Veranstaltung fand in Kooperation mit The Berendel Foundation (London) und dem Institut für Philosophie an der Freien Universität Berlin statt.
Gegenstand dieser Tagung waren auch ein in Arbeit sich befindendes Handbuch Humanismus – Grundbegriffe (Akademie Verlag Berlin) und eine mögliche humanistische Enzyklopädie.[2] In diesem Handbuch wird es ein Lemma „Humanisierung des Staates“ geben, zu dem Thomas Heinrichs einige Überlegungen hier vorstellt.
Der Artikel von Ralf Schöppner folgt einer Bitte des Herausgebers nach Auskünften über ein spezielles Forschungsgebiet des Autors, das zum Thema dieses Bandes passt.
Der Aufsatz, den der Herausgeber selbst einstellt, ist die etwas gekürzte, aber nur wenig redigierte, in den Fußnoten und Zahlengaben ergänzte Fassung eines gleichnamigen Vortrages am 6. Mai 2008 in der Berliner Urania, innerhalb der damaligen Reihe Humanismus I.
Der Grund für den etwas verspäteten Abdruck des Herausgeberaufsatzes ist ein doppelter. Diese historische Gruppe von Humanistinnen und Humanisten erfährt aktuell endlich einige Aufmerksamkeit, wesentlich befördert durch das Buch von Hilde Schramm Meine Lehrerin Dr. Dora Lux. 1882–1959. Nachforschungen.[3] Die sozialen und kulturellen Innovationen dieser Personengruppe findet hoffentlich bald bei denjenigen genügende Beachtung, gar Traditionspflege, die objektiv in deren Nachfolge stehen – speziell beim Humanistischen Verband Berlin-Brandenburg.
Die in Form einer feierlichen Rede gehaltene lateinische Widmung, die Hubert Cancik seinem Beitrag voranstellt, galt dem schwer erkrankten Kollegen Johannes Neumann, seinem gelehrten Kollegen aus Tübinger Zeit. Dieser „allermenschlichste Mensch“, wie es in der Zueignung heißt, verstarb am 5. Mai 2013. Er ist auch dem Herausgeber in guter und vor allem dankbarer Erinnerung an Vorträge, Aufsätze und sehr persönliche Hilfen für die Humanistische Akademie Berlin.[4]
Johannes Neumann, Professor für Kirchenrecht an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Tübingen, Rektor der Universität (1971/72), trennte sich von der Fakultät, der Kirche und der Theologie und wirkte als Professor für Rechts- und Religionssoziologie. Gegenstände seiner Arbeit wurden insonderheit die Erforschung der Lebenswelt von behinderten Menschen, die Religionskritik und das Staat-Kirche-Verhältnis, wo er energisch für die Trennung von Staat und Religion eintrat. Die Humanistische Akademie Deutschland dankt ihrem Gründungsmitglied für sein Werk und auch für seine Unterstützung als Beisitzer im Präsidium.
Fußnoten
- Vgl. http://humanistische-akademie-deutschland.de/content/publikationen (abgerufen am 30.4.2013) und http://humanistische-akademie-berlin.de/content/humanismus-aktuell (abgerufen am 30.4.2013). ↑
- Vgl. Humanistik. Beiträge zum Humanismus. Hrsg. von Horst Groschopp. Aschaffenburg: Alibri Verlag 2011 (Schriftenreihe der Humanistischen Akademie Deutschland, Bd. 4). ↑
- Vgl. Hilde Schramm: Meine Lehrerin Dr. Dora Lux. 1882–1959. Nachforschungen. Reinbek bei Hamburg 2012. ↑
- In „humanismus aktuell“ erschienen folgende Texte von Johannes Neumann: „Für eine – neue – humanistische Sozialpolitik?“ (H. 3, 1998); „Selbstbewußter Humanismus“ (H. 4, 1999); „Am Anfang war der Humanismus. Erkundungen durch die (europäische) Geschichte“ (SH. 2, 1999); „Streitfragen im Staat-Kirche-Verhältnis“ (H. 6, 2000); „Weltkrieg der Religionen“ (H. 10, 2002); „Der Reichsdeputationshauptschluß von 1803“ (H. 12, 2003); „‘Europas christliche Wurzeln’. Von der kontinuierlichen Wirksamkeit eines Mythos“ (H. 15, 2004); „Humanismus organisieren? Ein erweiterter Tagungsbericht“ (H. 18, 2006); „Gleichbehandlung – Folgerungen aus den rechtspolitischen Grundvorstellungen und den Kernforderungen der säkularen Verbände“ (H. 22, 2008). ↑
Quelle: Horst Groschopp: Vorwort. In: Ders. (Hrsg.): Humanismus und Humanisierung. Aschaffenburg: Alibri Verlag 2014, S. 7–9 (Schriftenreihe der Humanistischen Akademie Berlin-Brandenburg, Bd. 7)