Humanistische Bestattungsfeier

Nach­wort des Herausgebers

Das vor­lie­gen­de Buch zeich­net sich gegen­über den schon in der Rei­he Huma­nis­mus­per­spek­ti­ven erschie­ne­nen sechs Bän­den durch eini­ge Beson­der­hei­ten aus. So fie­len im gesam­ten Buch die Fuß­no­ten weg, um den flüs­si­gen Stil und das direk­te Anspre­chen der­je­ni­gen Adres­sa­ten zu unter­stüt­zen, die eine gewis­se Distanz zu all­zu aka­de­misch daher­kom­men­den Schrif­ten haben. Um aber wis­sen­schaft­li­chen Ansprü­chen zu genü­gen, wur­den sie als Biblio­gra­phi­scher Anhang an den Schluss gesetzt. Die an Ver­tie­fun­gen, Wei­ter­füh­run­gen und Bele­gen inter­es­sier­te Leser­schaft hat sich sicher rasch hineingefunden.

Die Per­spek­ti­ven des Huma­nis­mus hän­gen wesent­lich von sei­ner Fähig­keit ab, Argu­men­te abzu­wä­gen und Streit­kul­tur zu pfle­gen, zumal er selbst umstrit­ten und im Fluss ist. Des­halb möch­te sich der Her­aus­ge­ber beim Autor bedan­ken, ihn so umfäng­lich zu zitie­ren – und von der eige­nen War­te aus gründ­lich zu hinterfragen.

Dies beden­kend, soll im Nach­wort kurz auf vier Fra­gen ver­wie­sen wer­den, bei denen der Her­aus­ge­ber ein kol­lek­ti­ves Wei­ter­den­ken für nötig hält – nach der Lek­tü­re der anre­gen­den Kapitel.

Ers­tens trägt der Autor zahl­rei­che empi­ri­sche Befun­de zusam­men, vor allem für den Wes­ten Deutsch­lands, die eine Mas­si­vi­tät des Rück­gangs kirch­lich gepräg­ter Kul­tur bele­gen. Die ein­ge­tre­te­nen Wand­lun­gen drü­cken sich gera­de in den Berei­chen deut­lich aus, die Ste­fan Busch behan­delt. Das sind vor allem die Ritua­le, die Men­schen zu Hil­fe kom­men, die Dra­men per­sön­li­cher Ereig­nis­se zu bewäl­ti­gen. Zu ein­schnei­den­den Ver­än­de­run­gen im Lebens­all­tag kommt es zum einen, wenn ein neu­er Erden­bür­ger gebo­ren wur­de und nun offi­zi­ell zur Gemein­schaft gehört. Zum ande­ren ändert sich das unmit­tel­ba­re Lebens­um­feld, wenn ein Mensch gestor­ben und er aus der Gemein­schaft gebüh­rend und wür­de­voll zu ver­ab­schie­den ist.

Hier stell­ten die in zwei gro­ße Kon­fes­sio­nen geteil­ten Kir­chen Fei­er­lich­kei­ten bereit, in denen sie über Jahr­hun­der­te ein Mono­pol hat­ten, das sie in den letz­ten Jahr­zehn­ten ver­lo­ren haben. Kirch­lich ein­ge­bun­de­ne Ritua­le wer­den auch heu­te noch viel genutzt – auch aus Man­gel an ande­ren Alter­na­ti­ven – aller­dings regio­nal unter­schied­lich. Sie sind auch dort noch üblich, vor allem in West­deutsch­land, wo sich die glei­chen Leu­te um die sons­ti­gen reli­giö­sen Offer­ten der Kir­chen immer weni­ger sche­ren. Der Rück­gang der Zahl der Tau­fen hat dabei zudem den Effekt – weil sie Mit­glied­schaft stif­ten und die Getauf­ten als künf­ti­ge Kir­chen­steu­er­zah­ler defi­nie­ren –, dass die­se zuneh­men­de Abs­ti­nenz einen Schwund an Fir­mun­gen bzw. Kon­fir­ma­tio­nen vorbereitet.

Das wirk­lich Neue ist – aus ost­deut­scher Sicht –, dass dies ein Feld zu sein scheint, auf dem sich der Wes­ten kul­tu­rell dem Osten nähert. Auch den Autor hat die­ser Vor­gang wohl mäch­tig beein­druckt. Er fragt: „Sind wir gene­rell auf dem Weg in die säku­la­re Repu­blik, in der es zwar noch staat­lich ein­ge­trie­be­ne Kir­chen­steu­ern gibt, aber nur noch, damit die Kir­chen sozia­le Dienst­leis­tun­gen für das Gemein­we­sen organisieren?“

An die­se Fra­ge ist – Satz­ex­ege­se betrei­bend – eine wei­te­re gleich anzu­schlie­ßen: Wel­che Dienst­leis­tun­gen wer­den eigent­lich durch die staat­lich ein­ge­trie­be­nen Kir­chen­steu­ern bedient? Jeden­falls ist ein Groß­teil der Besol­dung des Kir­chen­per­so­nals (Ste­fan Busch ver­weist dar­auf) seit 1803 in immer grö­ße­rem Umfang eine Finanz­hil­fe des Staa­tes, ganz abge­se­hen von den staat­lich bezahl­ten aka­de­mi­schen Lauf­bah­nen an den Theo­lo­gi­schen Fakul­tä­ten der Uni­ver­si­tä­ten und den (zumin­dest groß­zü­gig staat­lich unter­stüt­zen) „Bekennt­nis­schu­len“. Bei den Kir­chen­steu­ern ist wich­tig, dass die­ser Mit­glieds­bei­trag vom Staat ein­ge­trie­ben wird, der damit die Logis­tik sichert.

Auch das ist in der Regel nur Insi­dern bekannt: „Sozia­le“ Dienst­leis­tun­gen wie von Cari­tas und Dia­ko­nie wer­den aus öffent­li­chen sozia­len Kas­sen bedient, vor allem aus denen, die der Pfle­ge und der Gesund­heit die­nen. Inwie­fen hier Kir­chen­steu­ern ver­wen­det wer­den, ist nach­weis­lich „unbe­deu­tend“, wie fowid (die For­schungs­grup­pe Welt­an­schau­un­gen in Deutsch­land) anhand der Kir­chen­quo­te auf ihrer Home­page nach­weist. Der finan­zi­el­le Anteil, der aus Kir­chen­gel­dern in die Arbeit der kirch­li­chen Wohl­fahrts­ver­bän­de ein­fließt, liegt dem­nach bei einem Gesamt­vo­lu­men von 44,5 Mil­li­ar­den Euro für den Auf­wand bei­der Ver­bän­de bei ledig­lich 1,8 Pro­zent. Das ist immer noch viel Geld, aber eben nur ein klei­ner Bei­trag im Ver­hält­nis zum Gesamtumsatz.

Hier zeigt die zuneh­men­de Kon­fes­si­ons­lo­sig­keit inso­fern Wir­kung, als das Wachs­tum der Wohl­tä­tig­keits­diens­te den Rück­gang der Gläu­big­keit im Wes­ten nicht auf­zu­hal­ten ver­moch­te und im Osten nicht die Re-Mis­sio­nie­rung beför­der­te, die schlicht nicht statt­fand. Im Osten wur­de die wei­te­re Säku­la­ri­sie­rung sogar noch beschleu­nigt, weil hier zuerst im grö­ße­ren Stil Kon­kur­ren­zen mit ande­ren Anbie­tern auf dem sich bil­den­den Pfle­ge­markt ein­tra­ten. Das führ­te dazu, dass ein all­ge­mei­ner Man­gel an geeig­ne­tem Per­so­nal vor­herrscht und auch die kirch­li­chen Ein­rich­tun­gen nicht mehr auf des­sen „Gläu­big­keit“ Rück­sicht neh­men kön­nen. Das macht „Chris­ten­tum light“ zur Nor­ma­li­tät. Eine Pfle­ge­kraft hat zudem gar kei­ne Zeit, mit der schwer­kran­ken Frau über reli­giö­se Ein­stel­lun­gen zum Ster­ben zu dis­ku­tie­ren – vom Bedarf ganz abgesehen.

Zwei­tens hat der Autor völ­lig recht mit der Beob­ach­tung, dass die „Zahl der Namens­fei­ern oder ‑wei­hen, die von ver­schie­de­nen Orga­ni­sa­tio­nen ‘qua­si als säku­la­rer Ersatz für die Tau­fe’ ange­bo­ten wer­den, … bis heu­te sehr gering geblie­ben“ ist. Als in der DDR in den 1960er Jah­ren ver­sucht wur­de, vor die Jugend­wei­hen als Alter­na­ti­ve zu den Kon­fir­ma­tio­nen noch Namens­fei­ern als Tau­fer­satz zu set­zen, zeig­te dies trotz gro­ßem Mit­tel­ein­satz nur wenig Erfolg – sogar bei Poli­zei und Mili­tär, wo man so etwas qua­si per Befehl ein­füh­ren zu kön­nen glaubte.

Im Gegen­satz zu den Bestat­tungs­ri­tua­len, die sich län­ger und stär­ker in den alten Fahr­was­sern bewe­gen, weil wohl die Abschied­nah­me ins­ge­samt mehr „Gemein­schaft“ bedingt, wird der Ver­zicht auf das Tau­fen nicht so sehr als Ver­lust emp­fun­den und ein Ersatz nicht gewünscht. Was und wann soll eine „Namens­fei­er“ sein, wenn die­ser dem Kind gleich nach der Geburt stan­des­amts­of­fi­zi­ell gege­ben wird? Inter­es­san­ter­wei­se wird bei die­ser Gele­gen­heit die Wöch­ne­rin von Staats wegen nach der Reli­gi­ons­zu­ge­hö­rig­keit des Kin­des gefragt und die­se ein­ge­tra­gen. Das ist ja fast eine „Tau­fe nebenbei“.

Wenn drit­tens der Autor eine Zunah­me „huma­nis­ti­scher Bestat­tungs­ri­tua­le“ beob­ach­tet und die­se an bestimm­te kul­tu­rel­le For­men bin­det, so stellt sich die Fra­ge, woher die­ser Zuwachs kommt ange­sichts der Mar­gi­na­li­tät ent­spre­chen­der Orga­ni­sa­tio­nen, die hier Vor­schlä­ge machen, gar Bei­spie­le geben.

Das hat zum eine sozia­le Ursa­chen. Es wan­delt sich, zumal in den grö­ße­ren Städ­ten, das­je­ni­ge, was die „Gemein­schaft“ kon­sti­tu­iert, die Abschied nimmt; hin­zu kommt, dass die Men­schen viel älter wer­den als frü­her und ein Groß­teil der Weg­ge­fähr­ten oft bereits ver­stor­ben ist. Es ist jeden­falls in aller Regel nicht mehr die Kir­chen­ge­mein­de, die jeman­den von der „Wie­ge bis zur Bah­re“ beglei­tet hat, die sich zum Lebe­wohl ver­sam­melt. Schon gar nicht gehö­ren „Kla­ge­wei­ber“, wie im ortho­do­xen Chris­ten­tum üblich, zum Reper­toire der hie­si­gen katho­li­schen und evan­ge­li­schen Kir­chen­mit­glie­der. Spricht ein Pfar­rer bei sol­chen Gele­gen­hei­ten, so wirkt er oft wie ein Bot­schaf­ter aus ver­gan­ge­nen Zeiten.

Die abschied­neh­men­de Gemein­schaft ist im Wesent­li­chen die Fami­lie, die sich bis dahin nur alle Jubel­jah­re getrof­fen hat, zu der Enkel­kin­der gehö­ren, die mitt­ler­wei­le selbst Kin­der haben. Es wirkt nun das Gesetz der „halb­of­fe­nen Klein­fa­mi­lie“, die sich seit der Indus­tria­li­sie­rung eta­bliert hat, auf dop­pel­te bis drei­fa­che Wei­se. Die Kin­der ver­las­sen mit ihrer beruf­li­chen Selbst-Finan­zier­bar­keit die elter­li­che Woh­nung und grün­den eige­ne Fami­li­en, haben in der Regel eige­ne Kin­der. Hin­zu kom­men häu­fig Schei­dun­gen und ande­re ein­schnei­den­de per­sön­li­che Wegänderungen.

In die­sen mit­un­ter kom­pli­zier­ten Gemenge­la­gen gibt es in moder­nen Fami­li­en und immer mehr auch in denen, die tra­di­tio­nell in Groß­fa­mi­li­en mei­nen zu leben, kei­ne „Fami­li­en­ober­häup­ter“ mehr. In ande­ren Kul­tu­ren hat­te die­sen Rang meist der „Stamm­va­ter“ inne, d.h. der leben­de Ältes­te in der männ­li­chen Gene­ra­tio­nen­fol­ge, meist der Erst­ge­bo­re­ne. Wenn Frau­en hier ein­ge­hei­ra­tet haben, gehö­ren sie zur Fami­lie ihres Man­nes. Doch auch die­se Zuord­nun­gen sind ins Wan­ken gekom­men und der Groß­va­ter der Schwie­ger­toch­ter macht mehr oder min­der direkt eige­ne Ansprü­che gel­tend, zumal die „Mit­gift“, das, was die Frau mit­bringt, weil sie gehei­ra­tet wird, aus der Mode gekom­men ist; ganz abge­se­hen von kul­tu­rel­len Wand­lun­gen durch gleich­ge­schlecht­li­che Ehen.

Viel stär­ker als tra­dier­te Bräu­che wir­ken heu­te bei Bestat­tun­gen die über die „Fami­li­en­zu­sam­men­hän­ge“ hin­aus­rei­chen­den Gemein­schafts­be­zie­hun­gen. Die­ser Trend wird vom moder­nen Bür­ger­li­chen Gesetz­buch unter­stützt. Wäh­rend ent­spre­chend Para­graph 1968 die gesetz­li­chen Erben die Kos­ten der Bestat­tung zu tra­gen haben, bestim­men die nächs­ten Ange­hö­ri­gen über den Bestat­tung­ort (wenn der Ehe­gat­te ver­stor­ben ist) und die Art der Abschied­nah­me. Doch wer stand dem oder der Ver­stor­be­nen „nahe“, gar am „nächs­ten“?

Die vie­len Umstän­de, in denen das Leben selbst Regie geführt hat, führ­ten zu einer Plu­ra­li­tät der Erfah­run­gen und Wün­sche der­je­ni­gen, die dann die Abschieds­ge­mein­schaft bil­den (inklu­si­ve Nach­barn, Freund­schaf­ten und Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen). Sie alle und beson­ders die „nahen Ange­hö­ri­gen“ und die Erben benö­ti­gen Hil­fe und Ver­mitt­lung, einen Maît­re de Plai­sir, einen Zere­mo­nien­meis­ter, einen Spe­zia­lis­ten und Koor­di­na­tor aller büro­kra­ti­schen und kul­tu­rel­len Din­ge vom Toten­schein bis zum Ende der Bestat­tungs­fei­er. (Der Lei­chen­schmaus ist dann meist nicht mehr sei­ne Aufgabe.)

Die­se Auf­ga­ben haben die Bestat­ter über­nom­men, gegen Bezah­lung, aber gera­de des­we­gen sind sie ritual­of­fen. Damit wären Pfar­rer über­for­dert, die letzt­lich auch „nur“ noch Red­ner sind und immer häu­fi­ger neue Wege gehen müs­sen, wenn das Leben der ver­stor­be­nen Per­son in den Mit­tel­punkt gestellt wer­den soll, nicht der Ritus.

Die Fra­ge ist, woher wis­sen die Bestat­ter, in wel­che Rich­tung sich das Trau­er­ri­tu­al ver­än­dert, wenn es dem Wil­len der „nächs­ten Ange­hö­ri­gen“ ent­spre­chen soll (sie wol­len ihnen ja ein Paket ver­kau­fen), und wie­so tra­gen sie zur „huma­nis­ti­schen Ten­denz“ bei?

Es ist eine Erfah­rungs­sa­che. In ihr kom­men wahr­schein­lich zwei Fak­to­ren zur Wir­kung, zum einen eine his­to­ri­sche Pra­xis und Tra­di­ti­on welt­li­chen Bestat­tens seit über hun­dert Jah­ren, inklu­si­ve objek­ti­ve Zwän­ge, die eine Urnen­bei­set­zung anders aus­fal­len las­sen als wenn ein Sarg in die Erde hin­ab­ge­las­sen wird. Zum ande­ren wirkt ein kul­tu­rel­ler Druck. Die­ser geht von einem gewohn­heits­mä­ßi­gen „All­tags­hu­ma­nis­mus“ aus, in dem die Beto­nung der Indi­vi­dua­li­tät zur Nor­ma­li­tät gehört und die Erwar­tungs­hal­tun­gen der „nächs­ten Ange­hö­ri­gen“ prägt. Aber nicht nur die­se fest ver­wur­zel­te Über­zeu­gung wirkt ori­en­tie­rend. Es ist ein über­grei­fen­der Bedürf­nis­wan­del ein­ge­tre­ten, erzeugt durch eine welt­of­fe­ne (west­lich-moder­ne) Medi­en­kul­tur, die ganz ande­re „Kopf­ki­nos“ her­vor­bringt als in Vor-Kino-Zei­ten, selbst in ganz abge­le­ge­nen Dör­fern, Dank eines klei­nen Fern­se­hers in der Tasche und immer parat – das Smart-Phone.

Woher kommt – vier­tens – die­se huma­nis­ti­sche Ori­en­tie­rung? Das Grund­ge­setz der Bun­des­re­pu­blik und auch die ers­te Ver­fas­sung der DDR ent­stan­den in einer Hoch­zeit des Huma­nis­mus. In der DDR-Ver­fas­sung wird „Huma­nis­mus“ sogar aus­drück­lich genannt. Bei allen Ein­schrän­kun­gen, die ange­sichts der fol­gen­den Real­ge­schich­te zu machen sind, Tat­sa­che bleibt, dass Dank des mili­tä­ri­schen Tri­umphs der vier Sie­ger­mach­te über den Natio­nal­so­zia­lis­mus des­sen Anti­hu­ma­nis­mus gestoppt wur­de. Das Grund­ge­setz und die DDR-Ver­fas­sung (bei allen Unter­schie­den) lehn­ten sich mehr oder min­der direkt an die Wei­ma­rer Reichs­ver­fas­sung von 1919 an, und die Ver­fas­ser der Ver­fas­sun­gen woll­ten Leh­ren aus der Geschich­te zie­hen (in Ost und West nicht identische).

Was blieb, bei aller unter­schied­li­chen Inter­pre­ta­ti­on (und spä­te­ren kon­tro­ver­sen Pra­xis), war der Bezug auf Indi­vi­du­al- und Men­schen­rech­te und Selbst­be­stim­mung. Den Kir­chen wur­den im Grund­ge­setz Son­der­rech­te ein­ge­räumt, etwa was den Reli­gi­ons­un­ter­richt betrifft. Außer­dem kam eine grund­ge­setz­lich ange­kün­dig­te Ablö­sung der Staats­leis­tun­gen seit 1803 nie in Gang. Aber in nahe­zu allen gro­ßen Ent­schei­dun­gen konn­ten die Grund­rech­te umge­setzt wer­den, trotz diver­ser kirch­li­cher Blo­cka­den, etwa bei der Abtrei­bungs­er­laub­nis, bei den Frau­en­rech­ten gene­rell, neu­er­dings bei den Patientenverfügungen.

So erreich­te das Selbst­be­stim­mungs­recht immer wei­te­re Berei­che und dräng­te die Kir­chen als ein­grei­fen­de Moral- und Ord­nungs­macht zurück, eben bis hin­ein in die Ritu­al­kul­tur und das Fried­hofs­we­sen, vor allem: Die Men­schen wäh­len nun zuneh­mend selbst, bei wel­chen Ange­bo­ten der Kir­chen sie zugrei­fen und wel­che sie ver­wer­fen. In den All­tag hin­ein las­sen auch Gläu­bi­ge ihre Kir­chen nicht mehr schauen.

Beim Anwach­sen huma­nis­ti­scher Über­zeu­gun­gen und Ver­hal­tens­wei­sen spielt es kei­ne gro­ße Rol­le, ob die Men­schen, die so den­ken und leben, wis­sen, dass ande­re ihr Tun und Las­sen mehr oder min­der berech­tigt „huma­nis­tisch“ nen­nen, und wel­chen his­to­ri­schen Kämp­fen und Revo­lu­tio­nen die­se Ori­en­tie­run­gen ihre Exis­tenz ver­dan­ken. Auf der lebens­welt­li­chen Ebe­ne sind huma­nis­ti­sche Grund­ein­stel­lun­gen unüber­seh­bar. Sie zeich­nen sich durch Beto­nung der Auto­no­mie und der Indi­vi­dua­li­tät aus und gehen ein­her – man kann es nicht oft genug her­vor­he­ben – mit der Aner­ken­nung des Rechts auf Selbst­be­stim­mung auch im Beant­wor­ten „letz­ter Fra­gen“ – im Kon­trast zu kol­lek­ti­ven Rück-Bin­dun­gen in Religionen.

Wie ande­re Fei­ern, so sind auch sol­che der Abschied­nah­me kom­ple­xe Ritua­le, die beschlos­sen und gerahmt wer­den, regel­haft ablau­fen, wie­der­hol­bar sind und vor allem „Publi­kum“ ver­lan­gen. Die „Auf­füh­rung“ unter­bricht ein­ge­spiel­te Rou­ti­nen für einen signi­fi­kan­ten Zeit­raum. Sie hat ihre eige­nen Sym­bo­le. Das Ritu­al ist eine Ange­le­gen­heit der fei­ern­den Gemeinschaft.

Eine huma­nis­ti­sche Bestat­tung ist frei von lit­ur­gi­schen Fest­le­gun­gen, was auch bedeu­tet, dass der christ­li­che Erlö­sungs­ge­dan­ke, der in einer kirch­li­chen Fei­er bestimm­te Regeln und For­meln ver­langt, pri­va­ti­siert und damit ein Kern des Glau­bens mar­gi­na­li­siert wird. Das Leben selbst hat den Men­schen gezeigt: Ist ein Leben been­det, dann wird die Aner­ken­nung der Ein­ma­lig­keit und Unwie­der­hol­bar­keit jeden Lebens den Hin­ter­blie­be­nen bewusst. Sie haben gelernt und erfah­ren auf einer huma­nis­ti­schen Fei­er, auch wenn sie nicht aus­drück­lich so heißt, dass auch ihr Leben einen Anfang und ein Ende hat. Wer gedank­lich ohne Auf­er­ste­hung aus­kommt, hat nur die Mög­lich­keit, ande­ren durch Taten im Gedächt­nis zu blei­ben. Gera­de des­halb steht das geleb­te Leben des Ver­stor­be­nen im Mit­tel­punkt des Ritu­als, das Reden über den Toten, über die Tote.