Vorbemerkung der Autoren
Die hier vorgelegte Dokumentation ist die erste Analyse des Verbandes der Freidenker der DDR (VdF). Anhand von Dokumenten, die für sich sprechen, wird ein Angebot unterbreitet, über diesen – wie erst die Geschichte zeigte – letzten Versuch der SED zu einer innenpolitischen Offensive zu urteilen. Das Wort „Offensive“ ist dabei den handschriftlichen Aufzeichnungen von Egon Krenz über die Politbürositzung vom 15. November 1988 entnommen, dass Erich Honecker, bezogen auf die Absicht, einen Freidenkerverband zu gründen, von einer ideologischen Offensive gesprochen habe (siehe dazu den Bericht zur Quellenrecherche in diesem Band).
Es geht im Folgenden um Abläufe und mögliche Hintergründe. Uns Autoren offenbarte sich eine mehrdeutige Quellenlage. Wir unterbreiten Material zu einer Historie des Hochmuts einer abgehobenen und lebensfernen Partei- und Staatsführung, die bis zuletzt meinte, per Knopfdruck den Gang der Ereignisse samt der handelnden Personen dirigieren zu können – hier per Gründung einer neuen Organisation.
Die Geschichte wurde bisher in der Literatur immer so gedeutet: Es habe sich beim VdF von vornherein um einen antikirchlichen Stoßtrupp gehandelt. Tatsächlich ist der Verband in dieser Richtung benutzt worden, obwohl aus ihm selbst heraus keine solchen Äußerungen gefunden werden konnten.
Die gesichteten Dokumente legen allerdings eine viel weitergehende Deutung nahe. Das Hauptmotiv der Initiatoren in der SED-Parteiführung bestand wohl darin, einem alten Schablonendenken folgend, eine Organisation zu schaffen, die Reformbemühungen kanalisieren und sowohl eine „Kampfgruppe“ gegen Reformkräfte als auch zugleich ein Bekehrungsverein für Irrende sein sollte. Da die SED in der DDR wie eine Kirche auftrat, lag es nahe, auch noch das Freidenkertum selbst zu initiieren, sozusagen eine „SED de luxe“ zu schaffen, wie es das Kabarett Die Distel am Abend der Verbandsgründung formulierte.
Eine abschließende Wertung der Vorgänge kann und will die hier ausgebreitete Dokumentation nicht liefern, sondern vielmehr einen Einstieg geben in weitere Forschungen und sachliche Begutachtung der Faktenlage.
Dazu wäre es sicher nützlich, es gäbe mehr Archivgut. Von den Autoren ergeht daher die Bitte an alle, die dazu beitragen können, die Quellenlage zu verbessern, den Autoren weiteres Material zukommen zu lassen.
Quelle: Horst Groschopp / Eckhard Müller: Letzter Versuch einer Offensive. Der Verband der Freidenker der DDR (1988–1990). Ein dokumentarisches Lesebuch. Aschaffenburg 2013, S. 9 f. (Schriftenreihe der Humanistischen Akademie Berlin, Bd. 8).