Suizidhilfe – Offener Brief

An
Uwe-Chris­ti­an Arnold
Uro­lo­ge, Ster­be­hel­fer, Berlin

Lie­ber Herr Arnold,

es gibt Situa­tio­nen im Leben, da spricht alles für ein öffent­li­ches Bekennt­nis. Sie haben die jüngs­te Ärz­te­kam­mer­ta­gung mit deren kon­ser­va­ti­vem und anti­hu­ma­ni­tä­rem Dog­ma der Ver­wei­ge­rung einer Erlaub­nis zum ärzt­lich beglei­te­ten Sui­zid zum Anlass genom­men, einen schon lan­ge in Ihnen gereif­ten Ent­schluss nun in die Tat umzu­set­zen, Ihre Sui­zid­be­glei­tun­gen öffent­lich zu machen. Und eben weil nun sol­che fal­schen Alter­na­ti­ven von Medi­en im Umlauf gebracht wer­den wie „Ist er ein Held oder ein Kri­mi­nel­ler“ gebührt Ihnen öffent­li­che Aner­ken­nung und Soli­da­ri­tät. Sei­en Sie die­ser Unter­stüt­zung versichert.

Ehre“, so hat der huma­nis­ti­sche Sozio­lo­ge Georg Sim­mel vor über hun­dert Jah­ren ein­mal for­mu­liert, sei das, was den Herrn vom Knecht unter­schei­det. Knech­te sind abge­schafft. Sie haben den Feh­de­hand­schuh gewor­fen aus Grün­den der Ehre. Da ste­hen wir zu Ihnen.

Schon das Wort „Selbst­mord“ ver­rät die geis­ti­ge Her­kunft Ihrer Kri­ti­ker und Ver­leum­der. Seit dem Buch von Ursu­la Bau­mann (vor zehn Jah­ren erschie­nen) „Vom Recht auf den eige­nen Tod“ konn­te ange­nom­men wer­den, dass zumin­dest unter intel­lek­tu­ell red­li­chen Kri­ti­kern des Sui­zids, die The­se vom „Mord am eige­nen Ich“ erle­digt ist. Aber das Kul­tur­mus­ter wird tra­diert selbst in den Fäl­len, in denen Sie gehol­fen haben. Der Kern­punkt ist doch, dass die Wür­de des Men­schen unan­tast­bar ist – die Ihre und die der­je­ni­gen, denen Sie auf deren eige­nen Wunsch hin gehol­fen haben, in Wür­de selbst­be­stimmt zu ster­ben und den eige­nen Wil­len zu behaup­ten, einem Lei­den selbst ein Ende zu machen.

Sie woll­ten schon öfter an die Öffent­lich­keit gehen. Als die „Huma­nis­ti­sche Aka­de­mie“ im Herbst 2003 die Tagung „Huma­nes Leben bis zuletzt“ durch­führ­te, konn­ten Sie nur knapp davon abge­hal­ten wer­den, vom Podi­um aus dar­über zu spre­chen – zum Glück für die­je­ni­gen, denen Sie seit damals hel­fen konnten.

Im Pro­to­koll­band die­ser Tagung steht von Ihnen geschrieben:

Lei­der gibt es kaum Ärz­te, die dazu eine kla­re posi­ti­ve Posi­ti­on ein­neh­men oder sogar von eige­nen Erfah­run­gen berich­ten. Obwohl Selbst­tö­tung und die Bei­hil­fe dazu straf­frei sind, schei­nen die meis­ten Ärz­te zu die­sem The­ma nichts sagen zu wol­len oder zu kön­nen. … Dabei soll­te es vor­nehm­li­che Auf­ga­be des Arz­tes sein, beim Leben, beim Krank­sein und Gesund­wer­den sowie beim Ster­ben zu hel­fen. Das Leben besteht nun ein­mal aus dem Gebo­ren wer­den, dem Leben und Ster­ben. Wer anders als die Ärz­te kann und soll die­se Abschnit­te begleiten?“

Die Ärz­te­kam­mer hat ihre Richt­li­ni­en nicht nur nicht in die­se Rich­tung geöff­net, son­dern sich mit einem gehö­ri­gen Maß Zynis­mus vor­ge­nom­men, Ihr Ver­hal­ten und das vie­ler Ihrer Kol­le­gen zu äch­ten. Die­se Absicht wider­spricht zwar dem Arti­kel 1 des Grund­ge­set­zes und ver­sucht, die­sen Grund­satz und bestehen­des Recht den Moral­vor­stel­lun­gen einer Berufs­ver­ei­ni­gung zu unter­wer­fen – doch wird dies nicht Bestand haben. Dazu wer­den Ärz­te wie Sie beitragen.

Es ist nun davon aus­zu­ge­hen, dass auch Ver­bän­de den Mut fin­den zu öffent­li­cher Soli­da­ri­tät (etwa der „Huma­nis­ti­sche Ver­band Deutsch­lands“, HVD, der sich im Sep­tem­ber 2003 in sei­ner Erklä­rung „Auto­no­mie am Lebens­en­de“ für ärzt­lich beglei­te­ten Sui­zid aus­ge­spro­chen hat).

So wie die Situa­ti­on heu­te ist, kommt auch Ster­be­hil­fe­or­ga­ni­sa­tio­nen wie „Digni­ta­te“ oder der von Herrn Kusch wie­der eine grö­ße­re Bedeu­tung zu als die­se viel­leicht bekom­men hät­ten, wenn die Ärz­te­kam­mer zu einer huma­nen, ver­nünf­ti­gen und ein­ver­nehm­li­chen Lösung gefun­den hät­te – etwa nach dem Mus­ter von Pati­en­ten­ver­fü­gun­gen und in die­se integriert.

Lie­ber Herr Arnold,

man will Sie nicht nur dis­kre­di­tie­ren, son­dern auch finan­zi­ell rui­nie­ren. Auch hier soll­te sich doch wohl eine huma­nis­ti­sche Orga­ni­sa­ti­on fin­den, die ein Spen­den­kon­to einrichtet.

Mit freund­li­chen Grüßen

Dr. Horst Groschopp
Gabrie­le Groschopp

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