Humanismus und Pazifismus

Fünf historische Denkanstöße, sich dem Problem zu nähern

Der fol­gen­de Text war im Früh­jahr 2023 für das HVD-Maga­zin „dies­seits“ erbe­ten wor­den, für eine Publi­ka­ti­on dort aber ca. 600 Anschlä­ge (1 Spal­te) zu umfang­reich. Ange­fügt ist eine Notiz zu einer Kri­tik an die­sem Text.

1. Ein Streit im HVD

Es gehört zu den spür­ba­ren Män­geln des orga­ni­sier­ten Huma­nis­mus, dass die Ver­bin­dun­gen zwi­schen Pazi­fis­mus und Huma­nis­mus unge­nü­gend dar­ge­stellt sind. Dies in dop­pel­ter Hin­sicht: das huma­nis­ti­sche Den­ken in Fort­set­zung der Ideen von Ber­tha von Sutt­ner („Die Waf­fen nie­der!“; 1889: eine ein­deu­ti­ge Bot­schaft); und in Abgren­zung von mili­tä­ri­schen Inter­ven­tio­nen und Kriegs­hand­lun­gen, in denen mit dem Namen des Huma­nis­mus argu­men­tiert wird. Dar­aus folgt eine unent­schie­de­ne Praxis.

Ein Bei­spiel dafür war 1999 der Streit um den Koso­vo-Krieg, den zehn Jah­re spä­ter am 23. März 2009 Andre­as Zumach in der „taz“ so cha­rak­te­ri­sier­te: „Mit ihrem Krieg gegen Jugo­sla­wi­en ohne UN-Man­dat haben die Nato-Staa­ten das Völ­ker­recht gebro­chen und dabei die Öffent­lich­keit mani­pu­liert.“ Man habe ver­ab­säumt, mit Russ­land über­haupt zu reden.

Im pro­pa­gan­dis­ti­schen Mit­tel­punkt stand in die­sem Krieg die Losung von der not­wen­di­gen „huma­ni­tä­ren Inter­ven­ti­on“ und eini­ge Tat­sa­chen spra­chen für sie. In ihrem par­tei­neh­men­den Eifer mach­ten dar­aus aller­dings eini­ge im HVD die For­mel „huma­nis­ti­sche Inter­ven­ti­on“. Der Streit droh­te zu eska­lie­ren und den Ver­band zu gefährden.

Es war dann Peter Schulz-Hage­leit, 1997 Grün­dungs­prä­si­dent der „Huma­nis­ti­schen Aka­de­mie Ber­lin“ gewor­den, der 1999 auf eige­ne Kos­ten ein Son­der­heft von „huma­nis­mus aktu­ell“ zur Klä­rung her­aus­gab: „Lebens­strom und Ratio­na­li­tät. Ein Essay über Huma­nis­mus in Zei­ten des Krie­ges“. Er schrieb aus betont frie­dens­po­li­ti­scher Posi­ti­on, die er aus Lebens­er­fah­rung und Lehr­klug­heit ablei­te­te: Huma­nis­mus sei nicht gleich „Pazi­fis­mus im Sinn einer bedin­gungs­lo­sen Ableh­nung von Gewalt.“ Aber: „Der Haupt­in­halt huma­nis­ti­schen Den­kens ist gleich­wohl Frie­den als Grund­be­din­gung kraft­voll sich ent­fal­ten­den guten Lebens.“

2. Wurzeln im Neuhumanismus

Wor­in könn­te ein Ansatz lie­gen, zu Kri­te­ri­en eines huma­nis­ti­schen Urtei­lens zu kom­men? Ers­tens: Der Aus­druck „Pazi­fis­mus“ ist abge­lei­tet vom latei­ni­schen Sub­stan­tiv pax (Frie­den, Geni­tiv: pacis) und dem Verb face­re, das Tun, Machen und Her­stel­len aus­drückt. Ein paci­fi­cus ist dem­nach ein Frie­den stif­ten­der Mensch, der paci­fi­ca­re betreibt. Er schließt Frie­den, befrie­det, besänf­tigt. Es geht beim Pazi­fis­mus um das „Frie­den­ma­chen“ oder den „Frie­den machend“ tätig sein.

Zwei­tens: Die heu­te geläu­fi­ge Her­lei­tung des Begriffs Pazi­fis­mus aus pacis und face­re knüpft an den „Neu­hu­ma­nis­mus“ des 18./19. Jahr­hun­derts an. Bei jedem Huma­nis­mus, der dar­an anknüpft, geht bei­des unbe­dingt zusam­men: Huma­nis­mus – ver­stan­den als Barm­her­zig­keit, Ent­ro­hung, Men­schen­wür­de und Bil­dung, aus­ge­drückt im Begriff „Huma­ni­tät“ – und Pazifismus.

Das gilt wohl grund­sätz­lich, aber auch kon­kret in bestimm­ten mili­tär­po­li­ti­schen Situationen.

3. Friedensbewegungen in Deutschland

Es gab in Deutsch­land nach dem Tod von Moritz von Ege­dy (1898) und dem Erlah­men sei­ner christ­li­chen Frie­dens­be­we­gung, nur zwei Orga­ni­sa­tio­nen, die sich huma­ni­tär und pazi­fis­tisch ver­stan­den, die „Deut­sche Gesell­schaft für ethi­sche Kul­tur“ (DGEK) und die „Deut­sche Frie­dens­ge­sell­schaft“ (DFG). Sie waren inter­na­tio­nal orga­ni­siert und besa­ßen kon­zep­tio­nel­le und per­so­nel­le Über­schnei­dun­gen – und zwar bis in die frü­hen 1930er Jah­re hin­ein. Sie haben den nahe­zu glei­chen zeit­li­chen Aus­gangs­punkt. Die DFG ent­stand am 21. Dezem­ber 1892, zwei Mona­te nach der DGEK. Die füh­ren­den Per­so­nen der DFG Ber­tha von Sutt­ner und Alfred Her­mann Fried wur­den Grün­dungs­mit­glie­der der DGEK und von sei­ten der DGEK war der Astro­nom Wil­helm Foers­ter in der DFG. Für ihn war ethi­sche Kul­tur ohne einen prag­ma­ti­schen Pazi­fis­mus nicht denkbar.

Wäh­rend in der DGEK ein welt­li­cher, ethisch begrün­de­ter Frie­dens­ge­dan­ke in der Ober­hand war, ein­ge­ord­net in zahl­rei­che ande­re poli­ti­sche und sozia­le Pro­jek­te, so gab es in der DFG oft christ­lich moti­vier­te Begründungen.

Es blieb die gan­ze Zeit, wohl bis heu­te, eine radi­ka­le Idee, über­haupt ein fried­li­ches Zusam­men­le­ben der Völ­ker und Natio­nen für denk­bar und mög­lich zu hal­ten. Eine Zukunft ohne Krie­ge, das erschien nahe­zu allen Zeit­ge­nos­sen ein ver­rück­ter Gedan­ke. Die DGEK for­cier­te ein brei­tes Spek­trum an Vor­schlä­gen. Sie besaß in der „Ethi­schen Kul­tur“ eine nach dama­li­gen Maß­stä­ben viel gele­se­ne Zeit­schrift. Die DGEK zähl­te in ihrer Hoch­zeit 1902 etwa 6.000 Mit­glie­der in sech­zig Orten, die DFG 1914 unge­fähr hun­der­tau­send, vor­wie­gend in Großstädten.

Bei­de Orga­ni­sa­tio­nen lit­ten schon vor Kriegs­be­ginn unter ähn­li­chen Schwä­chen: Zuneh­men­de Geld­not, vor allem durch Rück­gang der Spen­den; gerin­ge Brei­te der Orga­ni­sa­ti­on, das Erschei­nungs­bild einer Aka­de­mi­ker­ver­samm­lung, Distanz zur Sozi­al­de­mo­kra­tie und wenig direk­te Aktio­nen. Die DFG kon­zen­trier­te sich auf zwei For­de­run­gen: Rüs­tungs­be­gren­zung und Schieds­ge­rich­te. Die DGEK griff die­se bei­den Zie­le auf.

Aller­dings beherrsch­te die rasant wach­sen­de Pres­se die öffent­li­che Mei­nung. Sie sug­ge­rier­te in vie­len Vari­an­ten die staats­treue Auf­fas­sung, Deutsch­land bedür­fe drin­gend der Auf­rüs­tung, um sich vor allem gegen Russ­land zu verteidigen.

So schwach die pazi­fis­ti­sche Bewe­gung ins­ge­samt auch war, ganz ein­fluss­los blieb sie nicht. Zwar lässt sich ihr Anteil am Zustan­de­kom­men der bei­den Haa­ger Frie­dens­kon­gres­se 1899 und 1907 schwer mes­sen, aber es wur­den dort von ihnen auf­ge­stell­te For­de­run­gen diskutiert.

Vor­schlä­ge zur Abrüs­tung schei­ter­ten aller­dings eben­so wie die Ein­füh­rung einer obli­ga­to­ri­schen Schieds­ge­richts­bar­keit, die vor allem Deutsch­land, Öster­reich-Ungarn und die Tür­kei ablehn­ten. Aber es wur­de ein Schieds­ge­richts­hof in Den Haag ein­ge­rich­tet. Die Grün­dung des Völ­ker­bun­des am 10. Janu­ar 1920 kann als Fort­set­zung die­ser Kon­fe­ren­zen gese­hen werden.

Das Echo in der ethi­schen Bewe­gung war über­wie­gend posi­tiv, wur­de als ein Sieg der Frie­dens­idee gefei­ert. Die Huma­ni­sie­rung des Krie­ges habe gro­ße Fort­schrit­te gemacht. So sei die Bom­bar­die­rung von offe­nen Städ­ten und schutz­lo­sen Dör­fern unter­sagt wor­den. Das stär­ke den Glau­ben an die eher­nen Leh­ren der mensch­li­chen Entwicklungsgeschichte.

4. Pazifisten bei Kriegsbeginn 1914

Der Aus­bruch des Ers­ten Welt­krie­ges lie­fert bis heu­te das Mus­ter des Dil­lem­mas von Pazi­fis­ten, ihres Schwan­kens zwi­schen Waf­fen­ein­satz (für einen gerech­ten Zweck) und „Die Waf­fen nie­der“ (als prin­zi­pi­el­le Haltung).

Der Ers­te Welt­krieg begann am 28. Juli 1914 mit der Kriegs­er­klä­rung Öster­reich-Ungarns (seit Anfang Juli der deut­schen Unter­stüt­zung gewiss) gegen­über Ser­bi­en, das sich nach Ver­hand­lun­gen mit Russ­land, wo der Zar wie­der­um eine Woche vor­her mit Frank­reich einen Pakt geschlos­sen hat­te, inter­na­tio­na­lem Bei­stand sicher war.

Bei­de Frie­dens­or­ga­ni­sa­tio­nen wur­den von der ein­set­zen­den und von der Pres­se mas­siv unter­stütz­ten Kriegs­po­li­tik regel­recht über­fah­ren. Weil die Reichs­füh­rung der DFG bei Kriegs­aus­bruch die kai­ser­treue The­se vom gerech­ten Ver­tei­di­gungs­krieg über­nahm, zer­fiel die Orga­ni­sa­ti­on weit­ge­hend. Die DGEK ver­such­te eine kri­ti­sche Anwen­dung ihres Kon­zepts der ethi­schen Kul­tur in der neu­en Situation.

Die Mei­nungs­äu­ße­run­gen in der „Ethi­schen Kul­tur“ zum Ers­ten Welt­krieg began­nen mit dem Leit­ar­ti­kel des Vor­sit­zen­den und zugleich Chef­re­dak­teurs Rudolph Pen­zig. „Was soll uns jetzt ‘Ethi­sche Kul­tur’“ in der Aus­ga­be vom 15. August 1914. Pen­zig fand im Lau­fe des Krie­ges zu sei­ner ursprüng­li­chen vor­sich­ti­gen Anti­kriegs­hal­tung zurück. Doch anfangs stimm­te er in den gro­ßen Gesang der „Selbst­er­hal­tung eines Vol­kes“ ein und recht­fer­tig­te den Ein­satz deut­scher Trup­pen, u.a. damit, dass es gegen den „rus­si­schen Abso­lu­tis­mus“ und um die „Über­le­gen­heit deut­scher Kul­tur“ gehe.

Er übte für die DGEK öffent­lich Ver­gan­gen­heits- und Selbst­kri­tik: „Unse­re Leser wis­sen, mit wel­cher Begeis­te­rung wir von jeher das Ide­al der zu fried­li­cher Kul­tur geein­ten Mensch­heit ver­foch­ten haben.“ In dem jetzt „lei­der gege­be­nen Fal­le der schwers­ten Bedro­hung die­ses Deutsch­lands, das von je unter den Ban­ner­trä­gern des Huma­ni­täts­ge­dan­kens an ers­ter Stel­le stand, [haben wir, HG] nun­mehr die Ver­tei­di­gung des Vater­lan­des über alle sons­ti­gen Rück­sich­ten zu set­zen“. Dem nicht genug: „Ethi­sche Kul­tur, Frie­dens­freund­schaft und Huma­nis­mus schlie­ßen jenen Patrio­tis­mus, der für das Vater­land den letz­ten Bluts­trop­fen und den letz­ten Gro­schen her­gibt, nicht aus, son­dern ein!“

Es gab dann eine Debat­te über Sitt­lich­keits-Pro­ble­me im Krieg (16–19/1914). Es erschie­nen in der Fol­ge drei nach­denk­li­che Arti­kel „Wel­ches Ruß­land ist unser Feind?“ (18/1914), „Gerech­tig­keit auch dem Feind!“ (19/1914) und „Völ­ker­hass“ (24/1914).

Aber auch ein ganz ande­rer Ansatz kam zu Wort – mit einem kon­se­quent pazi­fis­ti­schen Inhalt. Der Text von Walt­her Schücking war her­aus­for­dernd über­schrie­ben „Der Welt­krieg und der Pazi­fis­mus“. Er erschien am 15. Okto­ber 1914. Zu die­sem Zeit­punkt, knapp zwei Mona­te nach dem Über­fall auf Bel­gi­en, um den fran­zö­si­schen Fes­tungs­gür­tel ent­spre­chend dem „genia­len“ „Schlief­fen-Plan“ zu umge­hen, stock­te die deut­sche West­front an der Mar­ne (um sich im Novem­ber gene­rell fest­zu­fah­ren). Groß­bri­tan­ni­en war seit dem 4. August auch im Kriegs­zu­stand mit Deutsch­land, das sich nun bis zur Okto­ber­re­vo­lu­ti­on in Russ­land 1917 in einem kon­ti­nen­ta­len Zwei­fron­ten­krieg befand.

Walt­her Schücking, der libe­ra­le Poli­ti­ker, Völ­ker­recht­ler und Pazi­fist, damals Jura­pro­fes­sor in Mar­burg, spä­ter als ein­zi­ger deut­scher Staats­recht­ler von 1931 bis zu sei­nem Tode 1935 in Den Haag am „Stän­di­gen Inter­na­tio­na­len Gerichts­hof“ als Rich­ter tätig, prä­sen­tier­te in dem genann­ten Text eine ganz ande­re Logik: Kul­tur­fort­schritt sei allein Fort­schritt in der Huma­ni­tät. Des­halb „ver­lan­gen wir Anhän­ger des Huma­ni­täts­ide­als, daß jedes Men­schen­ant­litz schlech­ter­dings jedem Men­schen etwas Hei­li­ges sei“. „Dar­um kön­nen wir den pazi­fis­ti­schen Gedan­ken heu­te nicht begra­ben, son­dern mit­ten in die­sem Meer von Blut, durch das wir waten müs­sen, zie­hen wir unse­re wei­ße Fah­ne auf und las­sen sie flat­tern hoch im Win­de.“ (Ethi­sche Kul­tur 1914, S. 157)

Das ist nun aber in Kriegs­zei­ten immer ein eben­so tap­fe­res wie schwe­res Pro­gramm, und wohl auch ein ein­sa­mes, gar lebens­ge­fähr­li­ches. Jeden­falls erleb­ten Huma­ni­tät und Pazi­fis­mus 1914 eine tota­le Niederlage.

Die Vor­stel­lun­gen eines Kriegs­en­des aus Ver­nunft ohne Erobe­run­gen oder gegen­sei­ti­ge Auf­rech­nung der Opfer und Ver­lus­te führ­ten wäh­rend und kurz nach der Novem­ber­re­vo­lu­ti­on 1918 zu einem Auf­la­ckern des Pazi­fis­mus in Deutsch­land – kein Wun­der, war der Krieg doch ver­lo­ren. Als dann der Ver­sailler Ver­trag zu kei­nem all­ge­mei­nen Frie­dens­schluss, son­dern zu einem Dik­tat­frie­den der Sie­ger­mäch­te geriet, ver­lor der Pazi­fis­mus für lan­ge Zeit nicht nur an Ein­fluss, son­dern gene­rell an Glaubwürdigkeit.

5. Das Versagen aufarbeiten

Rudolph Pen­zig unter­stütz­te wäh­rend des Krie­ges als Ver­eins­vor­sit­zen­der der DGEK, z.B. durch eige­ne Bahn­hof­stütz­punk­te, die huma­ni­tä­re Sozi­al­ar­beit und Seel­sor­ge unter den Opfern des Krie­ges und ihren Ange­hö­ri­gen. Ab Mit­te des Krie­ges litt er unter sei­ner anfäng­li­chen Kriegs­be­geis­te­rung. Er wirk­te in den 1920ern im Rah­men der Frei­mau­rer­be­we­gung, beson­ders des „Frei­mau­rer­bun­des zur Auf­ge­hen­den Son­ne“ (FZAS), für die deutsch-fran­zö­si­sche Aus­söh­nung und war hier diver­sen Anfein­dun­gen aus­ge­setzt, die ihn nicht umzu­stim­men ver­moch­ten. Am 15. April 1928 kam er in der „Ethi­schen Kul­tur“ noch ein­mal auf den Pazi­fis­mus zurück. Pen­zig setz­te das Wort in Anfüh­rungs­stri­che, weil er fest­stell­te, dass es sogar der Reichs­wehr­mi­nis­ter Groe­ner benutz­te, und zwar, um einen „gesun­den und ver­nünf­ti­gen Pazi­fis­mus“ von einem „Pazi­fis­mus aus knech­ti­scher Gesin­nung“ zu unterscheiden.

Was Pen­zig damals schrieb, kann auch für das Heu­te gel­ten: Er for­der­te mehr Klar­heit in der Ver­wen­dung des Begrif­fes. Wenn Alfred Her­mann Fried im Namen der Frie­dens­ge­sell­schaft defi­niert habe, es sei dies der „Sam­mel­na­me für alle Bestre­bun­gen, die auf eine Aus­schal­tung des Krie­ges aus den Bezie­hun­gen der Völ­ker hin­aus­ge­hen“, dann ergä­be dies „eine bun­te Mus­ter­kar­te der ver­schie­dens­ten Pazi­fis­men“, von „offen­ba­rer Tor­heit und Ver­stie­gen­heit bis zu ver­nünf­ti­ger Abschät­zung der Mög­lich­kei­ten und Ver­mei­dung aller Ueber­trei­bun­gen“. (Ethi­sche Kul­tur 1928, S. 25) Das sei letzt­lich wenig kon­kret oder gar ori­en­tie­rend, erlau­be jeden oppor­tu­nis­ti­schen Ein­fall, unter dem Namen Pazi­fis­mus aufzutreten.

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An dem Text kam Kri­tik aus der Ver­bands­füh­rung: “Wir wol­len doch alle wis­sen, wie wir uns heu­te kon­kret prak­tisch ver­hal­ten müs­sen. Dazu geben Dei­ne bis­he­ri­gen Aus­füh­run­gen in dem Arti­kel noch kei­nen Hin­weis für mich.”
Dazu bedurf­te es einer Kri­tik an der Kri­tik: “Was erwar­test Du für Hin­wei­se, gar Leh­ren, wenn das Sel­ber­den­ken an his­to­ri­schen Bei­spie­len das ein­zi­ge ist, was man als Rat­schlag geben kann, und natür­lich die gro­ße Erkennt­nis, dass am Ende immer das Erschre­cken steht, dass man wie­der ein­mal auf die Kriegs­pro­pa­gan­da, weil zunächst ein­sich­tig, her­ein­ge­fal­len ist. Kon­kre­ter geht es nicht, weil man sich sonst in den aktu­el­len Ideo­lo­gis­men ver­liert, man sozu­sa­gen puti­ni­siert oder selen­s­kiert, in die­sem ame­ri­ka­nisch-rus­si­schen Krieg.
Wenn schon, dann das Ding mit der wei­ßen Fah­ne, da bleibt wenigs­tens die See­le rein. Was den HVD betrifft, so hat er nur die­se DGEK als Vor­bild, und sich selbst, sie­he Kosovo.
Ich will von nie­man­dem wis­sen, wie ich mich ver­hal­ten soll, dafür bin ich selbst zustän­dig. Und ich ver­lie­re auch nichts, wenn dies­seits oder HA nichts von mir dru­cken. Es ist ein HVD-Pro­blem, wobei sei­ne Füh­rung ermäch­tigt ist, anders zu den­ken, als ich die Lage sehe. Auch hier ent­schei­det die Geschich­te, wobei wir selbst­re­dend wis­sen, dass hier nicht der Welt­geist (die wirk­li­che Wahr­heit) das letzt­lich Rich­ti­ge ent­schei­det, son­dern die Ideo­lo­gie des Siegers.
In die­sem Sin­ne bleibt nur die ana­ly­ti­sche Fleiß­ar­beit, das ist doch schon mal was und etwas ande­res als Welt­an­schau­ungs­pro­duk­ti­on oder Leh­ren­ver­brei­tung, die in der Regel bei­de auf Lee­re­ver­brei­tung hin­aus­lau­fen.” [8. Mai 2023]

Der vor­lie­gen­de Text basiert auf Mate­ri­al zu dem dem­nächst im Ali­bri-Ver­lag erschei­nen­den Buch von Horst Gro­schopp und Eck­hard Mül­ler: Aus der Ethik eine Reli­gi­on machen. Der prak­ti­sche Huma­nis­mus einer sozi­al­li­be­ra­len Kul­tur­be­we­gung. Zur Geschich­te der „Deut­schen Gesell­schaft für ethi­sche Kul­tur“ (Okto­ber 1892 bis Janu­ar 1937). ISBN 978–3‑86569–397‑6

Das Titel­bild zeigt das Anti­kriegs­pla­kat in der SPD-Mai­fest­zei­tung 1914.