Humanistische Weihnachtsfeierei?

Was soll das sein, eine huma­nis­ti­sche Weih­nachts­fei­er, wo doch schon unklar ist, was eine huma­nis­ti­sche Jugend­wei­he aus­zeich­net? Par­don, das heißt „Jugend­fei­er“, damit kein Ossi ver­steht, wor­um es sich han­delt, da doch Jugend­li­che pau­sen­los etwas fei­ern oder gefei­ert haben, als sie noch kei­ne Müt­ter oder Väter waren und in der DDR das fal­sche, weil staats­na­he Fest begin­gen. Da müs­sen sie nun lei­den und das Netz durch­su­chen, wonach bei ihnen für ihre erwach­sen wer­den­den Kin­der nun ein Ritu­al­be­darf zuwächst.

Zurück zum Fest der Fes­te: Auch die­ses Weih­nach­ten erhob sich so man­che Huma­nis­ten­stim­me, um mehr oder min­der laut zu fra­gen, wie Den­nis Rieh­le und Wal­ter Otte beim „Huma­nis­ti­schen Press­dienst“, wie sie so Weih­nach­ten bege­hen soll­ten ange­sichts der christ­li­chen Über­macht in den hie­si­gen Kul­tu­ren der Fest­lich­keit. Da hilft es nur bedingt im Dia­log unter his­to­risch Inter­es­sier­ten dar­auf hin­zu­wei­sen, wie Roland Fak­ler, dass die christ­li­che Kir­che im Kalen­der­kampf mit den Hei­den den Ter­min sozu­sa­gen für sich erobert hat – und ihn seit­dem als den ihren ver­tei­digt, z. B. gegen den Weihnachtsmann.

Die Erzäh­lung vom Weih­nachts­mann kön­ne, so die evan­ge­li­sche Reli­gi­ons­päd­ago­gin Hei­ke Lind­ner, Kin­der zum Athe­is­mus ver­füh­ren. Dem Weih­nachts­mann feh­le jeder „his­to­ri­sche oder theo­lo­gi­sche Kern“, er sei „ein Mythos ohne Sub­stanz“, sag­te die Köl­ner Theo­lo­gie­pro­fes­so­rin im Inter­view der „Welt am Sonn­tag“. Vom Niko­laus oder vom Christ­kind zu erzäh­len, sei hin­ge­gen emp­feh­lens­wert. Die Geschich­ten die­ser bei­den kön­ne man spä­ter her­vor­ra­gend „als Meta­pher der christ­li­chen Bot­schaft neu aneig­nen und in einen auf­ge­klär­ten Glau­ben inte­grie­ren“, weil sowohl der Niko­laus als auch das Christ­kind eine his­to­ri­sche und theo­lo­gi­sche Sub­stanz besä­ßen, die erhal­ten blei­be, wenn der Kin­der­glau­be ver­blas­se. Die Frau Pro­fes­sor ver­steigt sich sogar in die Hoff­nung, Niko­lau­si kön­ne Okkul­tis­mus ver­hin­dern. Über das „Licht­fest“ des Natio­nal­so­zia­lis­mus und das dama­li­ge „Licht­kind“ schweigt sie, wohl aus Unkenntnis.

Nun ist die Geschich­te des Weih­nachts­manns tat­säch­lich rea­ler als die Weih­nachts­ge­schich­te, nicht nur, weil die Kin­der bald her­aus­be­kom­men, wer sich da ver­klei­det, son­dern mehr: Was die christ­li­chen Krip­pen bild­lich vor­stel­len ist Blas­phe­mie, bes­ten­falls oppor­tu­nis­tisch-volks­tü­meln­de Bibel­kri­tik. Denn die all­jähr­lich ver­brei­te­te Weih­nachts­ge­schich­te fußt – gera­de wenn man die Bibel wört­lich nimmt – auf zwei ganz ver­schie­de­nen Geschich­ten, dem Mat­thä­us-Evan­ge­li­um (Mt 1,18–2,23) und, davon abwei­chend, dem Lukas-Evan­ge­li­um (Lk 2,1–20).

Wäh­rend Mat­thä­us etwas ver­kün­det, agi­tiert Lukas schon für sei­ne Kir­che. Jedem unbe­fan­ge­nen Leser wird klar, was Lukas will: Jesus auf­pep­pen zu einem genui­nen Nach­fol­ger des Königs David (Lk 1,27; 2,4; 3,21). Er adelt ihn und ver­sucht, ihn von allem Jüdi­schen zu befreien.

Jesus ist auch das gan­ze Kir­chen­jahr über prä­sent, die Weih­nachts­ge­schich­te wird fort­ge­setzt in der Oster- und der Pfingst­ge­schich­te. Dann steigt Maria in den Him­mel auf und wir hal­ten Ern­te­dank. Dann geht es wie­der von vor­ne los, wäh­rend der Weih­nachts­mann nur an einem Tag kommt, eigent­lich nur an einem Abend her­um­geis­tert, aus den Lüf­ten auf die Erde fährt, Geschen­ke in sei­nem Sack (mit Rudolph, dem rot­na­si­gen Rent-Tier; also einem gelie­he­nen Elch), nie mit der Absicht, län­ger zu blei­ben, gar in den Him­mel auf­zu­fah­ren. Die­se Ambi­tio­nen hat auch der Oster­ha­se nicht, der nur sei­ne bun­ten Eier versteckt.

Es gibt kei­ne schö­ne­re Reli­gi­ons­kri­tik als die Geschich­te vom Weih­nachts­mann. Wenn der Glau­be an den Weih­nachts­mann von der glei­chen Qua­li­tät wäre wie eine Reli­gi­on, dann wäre Coca Cola eine sol­che und Wal­ter Ulb­richt ein Pfar­rer. Ich habe als Fritz Kum­mer, einem mei­ner Pseud­ony­me, das hier­mit offen­bart wird, die­se Zusam­men­hän­ge vor eini­gen Jah­ren in dem hpd-Bericht aus Him­mel­pfort „Der Weih­nachts­mann kommt“ anzu­deu­ten versucht.

Es sind zwei Sachen zu unter­schei­den: zum einen die reli­giö­se Weih­nachts­ge­schich­te von der Weih­nach­ten-His­to­rie, den Gepflo­gen­hei­ten der Son­nen­wen­de, und zum ande­ren davon wie­der­um die wirk­li­che Feie­rei, was Men­schen hier war­um und wie feiern.

So wie die Weih­nachts­ge­schich­te eine schö­ne, aber erfun­de­ne Geschich­te ist, auf­ge­nom­men in ein Glau­bens­ge­bäu­de, das his­to­risch nie das Glei­che erzähl­te und die Men­schen es nie gleich ver­stan­den, so sind die Geschich­ten von dem, was Weih­nach­ten ist, noch viel legen­den­rei­cher, regio­na­ler, dif­fe­ren­zier­ter. Das betrifft auch die „Devo­tio­na­li­en“. Mei­ne Heer­scha­ren von Engeln, die bei uns zu Hau­se jähr­lich auf­mar­schie­ren, die Berg­män­neln, Nuss­kna­cker, Pyra­mi­den, Fens­ter­ster­ne usw. erzäh­len ihre eige­nen Geschich­ten durch das sub­jek­ti­ve Erin­nern der Gemein­schaf­ten, in denen sie ein­fach da waren, weil sie dazu­ge­hö­ren. Basta.

Da kann man, als Kul­tur­wis­sen­schaft­ler soll­te man dies auch tun, den gut hand­ge­ar­bei­te­ten erz­ge­bir­gi­schen Schwib­bo­gen mit sei­nen nicht christ­li­chen Moti­ven bis auf sei­ne Popu­la­ri­sie­rung 1936 in Schnee­berg durch Natio­nal­so­zia­lis­ten zurück­füh­ren, wie Andrea Bier­nath am 24.12.2014 im „Tages­spie­gel“ dar­leg­te. Das ist an Fak­ten ausbaubar.

Genau­ge­nom­men fin­det sich zu jedem Weih­nachts-Gegen­stand, dem Weih­nachts­baum und sei­nen Glas­ku­geln sowie­so, auch zum heu­te unge­lieb­ten Lamet­ta, immer eine schlüs­si­ge Begrün­dung, die­ses oder jenes Brauch­tum mit angeb­lich huma­nis­ti­schen Begrün­dun­gen zu ent­sor­gen bis man dahe­eme ganz blank, aber mit ganz rei­nem athe­is­ti­schen Gedan­ken her­um­sitzt. Nicht mir, Ihr Puris­ten! Der Gebrauch macht (mir) den Sinn.

Bleibt die Fra­ge nach der christ­li­chen Über­macht in der Feie­rei. Was ist der Beweis für die­ses Urteil? Doch nicht etwa, dass geschätzt ein Dut­zend Mil­lio­nen am „Hei­lig­abend“ die Christ­met­te besu­chen, zwölf­mal mehr als nor­mal – wenn es denn stimmt. Aber: wenn’s doch so scheen is … Gemein­schaft ist, wo sie statt­fin­det (Mar­tin Buber). Wir sind das Wech­seln der Gemein­schafts­for­men gewöhnt, heu­te das Arbeits­team, am Sams­tag mit den Fans im Fuß­ball­sta­di­on – Fuß­ball soll ja inzwi­schen auch eine Reli­gi­on sein – und abends die Kleinfamilie.

Ich ken­ne kei­ne sozio­lo­gi­sche Unter­su­chung des Fei­er­tag­ver­hal­tens in Deutsch­land, schon gar nicht zum Weih­nachts­ver­hal­ten, kann also bis zum Beleg des Gegen­teils behaup­ten, dass die Schen­ke­rei, die Kom­mer­zia­li­sie­rung, die Wer­bung, die Zuwan­de­run­gen, die ame­ri­ka­ni­schen Weih­nachts­fil­me, der Smart­phone­ge­brauch und vie­les mehr die Fest­kul­tur auch zu Weih­nach­ten weit­ge­hend ent­christ­licht haben – säku­la­ri­siert, sagt man in der Szene.

Wir haben also auch kein wis­sen­schaft­li­ches Bild vom rea­len Gemein­schafts­le­ben und dem Gemein­schafts­er­le­ben, höchs­tens Mei­nun­gen, Ein­drü­cke … – also kei­nen Grund, schon gar nicht als Huma­nis­ten – zur kul­tur­kri­ti­schen Über­heb­lich­keit. Das Auf­stel­len meh­re­rer Kur­ren­de­sän­ger-Grup­pen macht mich eben­so wenig zum Chris­ten wie ein Fress- und Sauf­abend im baye­ri­schen Klos­ter Andechs.