Kurt Arnold Findeisen (Pseudonym: Wendelin Dudelsack) wurde am 15. Oktober 1883 im gleichen Zimmer im gleichen Haus wie ich dann später 1949 geboren, Zwickau, Parkstraße 3. Er starb am 18. November 1963 in Dresden. Sein Leitspruch war: „Die Heimat ist das Herz der Welt“.
Bei Wikipedia findet sich eine informative Biographie.
Findeisen war ein großer Beförderer alles Sächsisch-Heimatlichen, mit einem Schwerpunkt auf dem Vogtland, der seit Beginn des Ersten Weltkrieges bis in die DDR hinein, also über vier Systeme hinweg, ein tatkräftiger und des treffenden Wortes mächtiger Heimatschutzbündler war, der Heimatkunst und Heimatgefühl nicht einfach nur bestärkte, sondern viel davon erfand. Er hat sogar bewiesen, dass es ein „Sächsisches Lachen“ (1926) gibt. Aber er war auch ein bedeutender Schreiber von Historienromanen.
Ihm werde ich mich zuwenden und vielleicht entsteht ein Buch mit dem Titel: „Bliemchengaffee“ und „Bermett“. Die Erfindung des „sächsischen Gemüts“ 1920–1940 und der Beitrag des „Volksdichters“ Kurt Arnold Findeisen.
In meinem “Heimat”-Text stehen folgende Sätze über KAF:
Es handelt sich um den Sänger des vogtländisch-sächsischen „Mutterlandes“ von 1914, dass es zu verteidigen galt, den Sammler von Weihnachtsgeschichten, des Erzählers über Stülpner Karl, den „Sohn der Wälder“, den Robert Schumann und Bach und Händel und Seume, alles berühmte Sachsen, wie wir nun wissen, über die er gut gängige Roman-Biographien schrieb.
In der Geschichte des Historienromans hat er seinen festen Platz, aber auch als NS-Autor eines anti-tschechischen Volksstückes im Vorfeld der Heimholung der Sudeten ins Reich, ab 1935 ein paar Jahre lang aufgeführt vor der Kirche in Schneeberg. Das „Spiel vom getreuen Horlemann“ galt offiziell als theatralische Umsetzung des NSDAP-Parteitages der „Treue“ von 1934 in einem Heimatstück. Dies und seine Verdienste um die Heimat waren wohl auch die Ursache, dass sein Kopf in Kupfer gegossen in München auf der Großen Deutschen Kunstschau 1944 als Objekt 1033 ausgestellt wurde. Von dort kam der „Nischel“ nach Bautzen und harrt dort im Archiv, auf dass er bald als Großer Sachse in eine Galerie kommt.
Hier ist unbedingt einzufügen, dass sich der NS-Gauleiter Martin Mutschmann und seine Partei zwölf Jahre lang sehr verdient gemacht haben bei der Pflege des sächsischen Heimatgefühls und der schöpferischen Weiterentwicklung des hiesigen Brauchtums, nicht zurückschreckend vor neuen Weisheiten über die Theorie des Tannenbaums und Lesarten des Klöppelns, Schnitzens und der Bergparaden, die in der DDR gern, neu erklärt, übernommen wurden, eben wegen des Heimatgedankens in uranschwerer Zeit, aber auch wegen der nichtchristlichen Symbolik.
Wir verdanken zu wissen, was unsere Heimat ist, dem Balladendichter, Dramatiker, Heimatfachbuchredakteur (der Zeitschrift „Sächsische Heimat“), Herausgeber, Sammler von Volkskunst (in Dresden 1945 durch Bomben zerstört), Schriftsteller und Radio-Pionier erst beim Heimatfunk des Nebensenders Dresden und dann in der Schulfunkabteilung des Mitteldeutschen Rundfunks. Aber trotz NSDAP-Mitgliedschaft entließen ihn die Nationalsozialisten 1933, weshalb er 1945 als nicht belastet galt, rasch entnazifiziert wurde, dann auch in der DDR viel publizierte und sich im Kulturbund der Heimat widmete.
Dieser Kurt Arnold Findeisen (Pseudonym: Wendelin Dudelsack) wurde, wie schon oben gesagt, 1883 im gleichen Zimmer im gleichen Haus wie ich dann später am 8. Februar 1949 geboren. Das Foto links zeigt das Geburtshaus im heutigen Zustand.
In dem Haus (es hatte bis in die 1970er Jahre ein Plumpsklo) und die Wohnungen senkten sich leicht nach hinten ab (Bergbaufolgen), so dass Findeisen (er schrieb darüber in seinen Erinnerungen: Der Perlenwagen, 1963) und ich die gleiche Erfahrung mit unseren “Ditscherkugeln” (Glasmurmeln) machten: Sie rutschten immer rechts hinten unter die Kommode, fast bis in die Ecke.
Ebenfalls links das “Findeisenhaus” zum Zeitpunkt seiner Geburt und während meiner Kindheit. Hier wohnten ab 1944 meine Mutter und ihre vier Geschwister mit ihren Eltern, der Familie Knobloch (Opa war noch im Kriegseinsatz als Kraftfahrer bei der Post; die hatten Uniformen wie die SS, was die Russen aber noch nicht wussten und was fast zu seinem Abtransport als Kriegsverbrecher geführt hätte), bis zu ihrer Verheiratung am 7. Oktober 1948. Wir zogen dann etwa 100 m links um die Ecke in die Reichenbacher Str. 28 in eine ehemalige Kneipe neben “Bindfaden-Georgi” oberhalb vom Moritzbach (heute befindet sich dort ein inzwischen wieder leergezogener Neubau der Caritas).
Hinter dem “Findeisenhaus” (heute GGZ-Gebäudegesellschaft Zwickau) befindet sich noch immer die “Ziegelwiese”. Das Haus selbst beherbergte im April 1945 einen Stab der US-Armee, die Zwickau eingenommen hatte und am 1. Juli an die “Rote Armee” übergab. Auf der Ziegelwiese standen amerikanische Panzer. Die Soldaten haben die im Haus wohnenden Familien ratzbatz exmittiert. Später konnten sie sich einige Sachen holen, aber das beste Kleid meiner Mutter blieb verschollen. Sie sah es am Leib des Liebchens des Ortskommandanten. Da machte meine Mutter Rabatz und holte es sich wieder. Nach dem Umzug der Truppe an einen anderen Ort in Zwickau konnten alle wieder einziehen, darunter Vater und Sohn Schäfer. Er war Handwerker beim Schocken gewesen, dem großen jüdischen westsächsisch-ostfränkischen Kaufhauskonzern zwischen Chemnitz und Nürnberg. Schäfer hatte darauf verzichtet, in die von Schocken für seine Angestellten im Ortsteil Weisenborn errichtete kleine Siedlung an der Frühlingsstraße umzuziehen, die “Judensiedlung”. Die Gegend wurde weltbekannt, weil dort die NSU-Mörder um Beate Zschäpe jahrelang ungestört wohnten.
Das Geburtszimmer lag in der ersten Etage, hinten raus (aktuelles Foto).
Findeisens Memoiren las ich erst vor meinem Umzug von Berlin zurück nach Zwickau, obwohl der Stoff immer mal wieder familiärer Gesprächsstoff war. Findeisen hatte nämlich Ende 1947 oder Anfang 1948 sein Geburtshaus und ‑zimmer besucht. Er traf meine Mutter und meine Oma an. Die Geschichte geht so: Es klopfte und vor der Tür (einen Vorsaal hatten die Wohnungen nicht, man kam gleich ins Wohnzimmer) stand ein älterer Herr in sehr guter bürgerlicher Kleidung, samt Krawatte. Ob er mal reinkommen darf. Er sei hier vor über fünfzig Jahren geboren worden. Klar, er durfte, schritt nach links durch die Küche, die wie ein Handtuch zwischen zwei Zimmern lag, ins hintere Schlafzimmer, wo die fünf Geschwister alle ihre Betten hatten, bleibt andächtig stehen, kehrt wieder um, setzt sich im Wohnzimmer an den großen Tisch und schweigt. Großmutter und Mutter, gerade mit den Haareisen und Lockenwicklern zugange gewesen, immer verwirrter werdend hinterher.
Dann hebt Findeisen zu einer Erklärung an, sagt, wer er ist und fragt, ob die Glaskugeln noch immer nicht liegenbleiben, sondern fortrollen. Alle Kinder im Haus haben das erlebt. Er erzählt dann etwas über seine Kindheit, was sie über die Jahre vergessen haben. Aber es steht dann alles in seinem “Perlenwagen”.
2014 wohne ich ein Jahr in Zwickau und bin gerade Rentner geworden, Zeit zu einer Hausbesichtigung – mit großer Enttäuschung: Alles ist hochmodernisiert (klar, eine Wohnungsverwaltung) und die Böden sind mit flauschiger Auslegware bespannt. Die mitgebrachte Glaskugel rollt nirgendwohin. So kann man das Problem mit dem Neigungswinkel auch lösen.
Es hängt eine Tafel an seinem (und meinem) Geburtshaus, die Findeisen als „Dichter des Sachsenlandes“ würdigt.
Von wem kann man schon sagen, er habe sich sein Leben lang der Heimat gewidmet? Es war immer dieselbe. Wenn ich in der Parkstraße 3 auch einmal eine Tafel will, muss ich wohl oder übel der Heimat dienen; vielleicht steht dann außen dran/darunter/daneben: Im Humanismus war der Horst daheim.