Pro Humanismus

AL245FN.jpg(Aschaffenburg/Zwickau) Mein neu­es Buch ist unter dem Titel „Pro Huma­nis­mus“ im „Ali­bri Ver­lag“ erschie­nen. Der Huma­nis­ti­sche Pres­se­dienst (hpd) brach­te dazu am 2. Dezem­ber 2016 ein Inter­view.

Die Publi­ka­ti­on eröff­net eine neue Rei­he „Huma­nis­mus­per­spek­ti­ven“ – einem frü­he­ren Titel des Autors fol­gend. Das neue Buch behan­delt die jün­ge­re Geschich­te der Kon­fes­si­ons­frei­en in Deutsch­land (Inhalt). Den Fokus bil­det die Aneig­nung, Aus­for­mung und „Anwen­dung“ des Humanismus.

Der Band ent­hält eine umfäng­li­che Doku­men­ta­ti­on kon­tro­ver­ser Stand­punk­te. Der hpd sprach mit dem Autor.

hpd: Herr Gro­schopp, ich hat­te Gele­gen­heit zur Ein­sicht in das Manu­skript. Ihre Mono­gra­phie ist die ers­te grö­ße­re Kul­tur­stu­die zur „säku­la­ren Sze­ne“ und beson­ders über den „Huma­nis­ti­schen Ver­band“. Sie geben eine gra­phi­sche Dar­stel­lung aller Orga­ni­sa­tio­nen. Vor­ge­stellt wer­den Dis­kus­sio­nen am Bei­spiel eini­ger Streit­fra­gen wie Säku­la­ri­sie­rung, Welt­an­schau­ung, Bekennt­nis, Frei­den­ker­tra­di­ti­on, Ethik, „Kon­fes­sio­na­li­tät“, Demo­kra­tie, Pazi­fis­mus und Ver­bands­po­li­tik. War­um ent­fal­ten Sie alte Debat­ten in die­ser Breite?

H.G.: Es sind aktu­el­le Streit­fra­gen, auch wenn sie seit einem Vier­tel­jahr­hun­dert geführt wer­den. Ich zei­ge das Damals aus heu­ti­ger Sicht, ver­wei­se auf die Win­dun­gen und Wen­dun­gen der Kon­zep­ti­ons­bil­dung betei­lig­ter Akteu­re bis her­an an die Gegenwart.

Das Buch wur­de in gro­ßer Eile geschrie­ben. Was treibt Sie, so detail­liert vorzugehen?

Mich errei­chen zahl­rei­che aktu­el­le Doku­men­te aus der „Sze­ne“ und aus dem HVD, in denen ich Zei­chen einer Kri­se sehe, zuge­spitzt in der Fra­ge, wozu es einen KORSO, einen hpd, einen HVD-Bun­des­ver­band über­haupt geben soll bzw. ob nicht die gbs die Welt­an­schau­ungs­de­bat­te majo­ri­siert. Über­hitz­te Gemü­ter – oder sind das die Klar­sich­ti­gen? – reden von einem Bruch, der den kon­zep­tio­nel­len Trenn­li­ni­en folgt; ande­re raten zu einer Zeit der Besin­nung. Aber irgend­wann muss man wohl zu Stuh­le kommen.

Das klingt etwas kryp­tisch und ähnelt Ihren Ein­las­sun­gen Anfang des Jah­res, den „Wende“-Artikel im hpd. Die offi­zi­el­len Ant­wor­ten dar­auf, die des amtie­ren­den HVD-Prä­si­den­ten Wolf und die in der Ver­bands­zei­tung „dies­seits“ haben ja eini­ge als Ihre „Exkom­mu­ni­ka­ti­on“ gelesen.

Jeden­falls wird das alte The­ma Sozi­al­be­trieb ver­sus Welt­an­schau­ungs­ver­ein inten­siv dis­ku­tiert und das war der Kern des Inter­views. Auf Vor­wür­fe reagie­re ich nicht klein­klein, son­dern mit Lesestoff.

Gie­ßen Sie Öl ins Feuer?

Ich will kei­ne Spal­tun­gen beför­dern oder behin­dern. Doch man soll­te die Gemein­sam­kei­ten in und außer­halb des HVD ernst­lich auf ihre Trag- und Zukunfts­fä­hig­keit hin prü­fen. Für den Prüf­vor­gang stel­le ich Mate­ri­al bereit: Was bewog 1990 Frei­den­ker, sich einer Dienst­leis­tungs­pra­xis und dem Huma­nis­mus zu öff­nen? Wie ver­lief der Pro­zess? Was kam dabei heraus?

Es ist schon erstaun­lich, wie umfäng­lich die Debat­te Anfang der 1990er in der gesam­ten „säku­la­ren Sze­ne“ war. Sie beschrei­ben, war­um damals nicht alle zunächst inter­es­sier­ten Ver­bän­de in den HVD gingen.

Die heu­ti­ge Poli­tik des HVD und das Für und Wider in der „Sze­ne“ sind nicht zu erklä­ren ohne die­sen Rück­blick, ohne Sicht auf die­se „Wen­de“. Damals wie heu­te ste­hen Fra­gen im Raum: Was haben Huma­nis­ten­ver­ei­ne mit dem gesell­schaft­li­chen Huma­nis­mus gemein­sam? Was macht sie beson­ders? Wer braucht einen HVD? Was für Huma­nis­mus benö­tigt so ein Ver­band? Die Pro­ble­me stel­len sich nicht nur, weil mit der gbs ein neu­er, erfolg­rei­cher frei­den­ke­ri­scher Akteur in die „Sze­ne“ gekom­men ist. Die Stif­tung setzt vehe­ment auf die „säku­la­re Kar­te“ und wirkt in den HVD hin­ein, weni­ger umge­kehrt, wor­in ein Pro­blem liegt – für den HVD.

Was hat das mit der Geschich­te zu tun?

Der Huma­nis­mus kam 1989/1990 – mit einer Vor­ge­schich­te in der „Huma­nis­ti­schen Uni­on“, auf die ich eben­falls ein­ge­he – unter die Frei­den­ker als „säku­la­rer“, eigent­lich „säku­la­ri­sie­ren­der“ Huma­nis­mus. Ich zei­ge, was hier­von aus den USA kam, und dass dort ein Kampf gegen den „ethi­schen Huma­nis­mus“ (nicht gegen den Begriff) geführt wur­de. Die­sen nann­te man übri­gens „Huma­nis­mus der Juden“. Gro­ße Tei­le die­ses Kon­zepts gal­ten als „reli­giö­ser Huma­nis­mus“. Die­se eng­füh­ren­de, sich „säku­lar“ nen­nen­de Vari­an­te war für die hie­si­ge frei­den­ke­ri­sche „Sze­ne“ inter­es­sant, nütz­lich und will­kom­men. Man muss­te nicht groß umden­ken. Die Geschich­te der deut­schen „Huma­nis­ten­ge­mein­den“ zwi­schen 1892 und 1936 war ver­ges­sen – obwohl sowohl „Lebens­kun­de“ als auch „welt­li­che Seel­sor­ge“ von dort herkamen.

Sie zei­gen, dass es vor der HVD-Grün­dung eine umfäng­li­che Huma­nis­mus-Debat­te in der „säku­la­ren Sze­ne“ gab.

Frei­den­ker­be­we­gung und rea­ler Sozia­lis­mus waren mau­se­tot. Die Auf­nah­me des Huma­nis­mus-Begriffs war damals eine Ent­de­ckungs­rei­se. Man­che, wie Gita Neu­mann, wand­ten sich vehe­ment gegen frei­den­ke­ri­sche Wis­sen­schafts­gläu­big­keit und ent­spre­chen­de Ein­schrän­kun­gen im Selbst­ver­ständ­nis des zu grün­den­den HVD. Sie hat dann ihr Pro­gramm wei­ter­ver­folgt und erfolg­reich den HVD-Bereich Patientenverfügungen/Sterbehilfe auf­ge­baut und dar­über publi­ziert, erst neu­er­dings wie­der auf den Sei­ten des hpd.

Was ist falsch an einer Theo­rie­de­bat­te „säku­la­rer“ ver­sus „ethi­scher Huma­nis­mus“, wobei Sie auch noch den „ethi­schen“ zu eng finden?

Ja, „ethi­scher Huma­nis­mus“ ist mir zu ein­sei­tig, aber zu Ihrer Fra­ge: Nichts ist falsch an sol­chen Debat­ten, wenn sie denn kon­se­quent auch dahin­ge­hend fort­ge­führt wer­den, was aus den jewei­li­gen Stand­punk­ten, etwa des „säku­la­ren“ oder des „ethi­schen Huma­nis­mus“, für eine Orga­ni­sa­ti­on wie etwa den HVD kon­zep­tio­nell und poli­tisch folgt. Übri­gens auch für den hpd, für den wir die­ses Inter­view machen.

Kön­nen Sie ein Bei­spiel geben hin­sicht­lich der unter­schied­li­chen Folgerungen?

Wenn man einen eige­nen Bekennt­nis­un­ter­richt betreibt, etwa Lebens­kun­de, dafür Geld vom Staat erhält und an den Schu­len die Reli­gi­ons­leh­rer Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen sind, dann kann man nicht zugleich die Abschaf­fung des Reli­gi­ons­un­ter­richts for­dern oder gar die Abschaf­fung aller Staats­leis­tun­gen oder laut­stark mit­tei­len, man leh­ne „Bekennt­nis­se“ ab, das sei etwas für Reli­gio­nen. Wie kann man ohne Bekennt­nis einen eige­nen „Bekennt­nis­un­ter­richt“ anbie­ten oder for­dern? Wie ich mit Erschre­cken höre, wenn das stimmt, hat der HVD sein Bun­des­pro­jekt „Lebens­kun­de“ auf­ge­ge­ben. Damit war er 1993 ange­tre­ten. Das war sei­ne Fahne.

In Ihrem Buch gehen Sie auf die Geschich­te des Bun­des­pro­jek­tes „Sol­da­ten­be­ra­tung“ ein. Was ist dar­aus geworden?

Freund­lich aus­ge­drückt: Die „huma­nis­ti­sche Sol­da­ten­seel­sor­ge“, wie ich das heu­te nen­nen wür­de, schlum­mert, wird neu dis­ku­tiert unter dem Begriff einer „huma­nis­ti­schen Frie­dens­ethik“. Für mich war wich­tig, wie „Pazi­fis­mus“ in der Frei­den­ke­rei debat­tiert wur­de, und wel­chen Stel­len­wert die­ses Pro­gramm in der HVD-Geschich­te hat­te. Dazu fin­det sich ein extra Text im Buch.

Sie selbst waren ja ein Befürworter …

… Ja, ich selbst war hier als HVD-Prä­si­dent sehr enga­giert. Huma­nis­mus im Mili­tär­ge­fü­ge – das klingt sehr ver­lo­ckend; eine Bun­des­för­de­rung auch. Aber man muss wenigs­tens einen [!] Sol­da­ten in der Trup­pe fin­den, der das will. Und dann hät­te der HVD das Pro­blem, ob sei­ne Seel­sor­ger Uni­form anzie­hen. His­to­risch gese­hen mach­te sich der HVD in sei­nen Anfän­gen unglück­li­cher­wei­se in der „säku­la­ren Sze­ne“ damit berühmt, dass er sich die­sem Pro­jekt auf eine kämp­fe­ri­sche Wei­se vor­ran­gig wid­me­te, als ob Deutsch­land dar­auf war­tet, dem Huma­nis­mus und dann noch dem des HVD das Kaser­nen­tor zu öff­nen und ihm Sub­ven­tio­nen zu geben, damit er unter die kämp­fen­den Ein­hei­ten kommt. Erschwe­rend kam damals hin­zu, dass par­al­lel zu die­sen Absich­ten die EKD damit beschäf­tigt war, die pazi­fis­ti­sche ost­deut­sche Pfar­rer­schaft zu dis­zi­pli­nie­ren und zu kor­rum­pie­ren mit Mili­tär­seel­sor­ger­stel­len. Das Gan­ze gab dem bfg Bay­ern Mit­te 1992 den Anlass, sich pazi­fis­tisch zu äußern und sich dem HVD zu ver­wei­gern. Aber es ging ihm wohl eher um die Höhe der Mit­glieds­bei­trä­ge an den Bundesverband.

Muss man da gehei­me Akten stu­die­ren, um all das herauszufinden?

Über­haupt nicht; die Ver­bands­zei­tung „dies­seits“ war bis etwa 2010 – bei allen nöti­gen Ein­schrän­kun­gen – ein Dis­kus­si­ons­or­gan des Ver­ban­des. Die Mit­glie­der und die „Sze­ne“ konn­ten nach­voll­zie­hen – wenn auch oft etwas ver­klau­su­liert, auf einen „Theo­rie­streit“ geho­ben – was die Stand­punk­te und wer die Per­so­nen waren, die dafür­stan­den. Auch die ande­ren kamen zu Wort. Heu­te kriegt man von so etwas nichts mehr mit, auch wenn man alle Kom­mu­ni­qués gründ­lich stu­diert. Wie man da Mit­kämp­fer gewin­nen will, erschließt sich mir nicht. Mein „Anteil“ an die­sen Ver­schie­bun­gen liegt übri­gens dar­in, dass sich vie­le die­ser Grund­satz­de­bat­ten in die Aka­de­mie­pu­bli­ka­tio­nen ver­la­ger­ten. Aber was inter­es­siert ein „ein­fa­ches“ Mit­glied eine Tagung über „Kon­fes­sio­na­li­tät“ des HVD-Humanismus?

Sie geben in dem Buch eine Geschich­te gera­de die­ser Debat­te, die Sie selbst mal ange­zet­telt haben. Wie ste­hen Sie heu­te dazu?

Ich ver­wei­se auf das Buch, es soll ja auch gele­sen wer­den. Der Jurist Tho­mas Hein­richs hat gera­de im hpd noch ein­mal betont: Mit­glie­der von Welt­an­schau­ungs­ge­mein­schaf­ten – ob nun DFV, bfg oder HVD – sind nicht „kon­fes­si­ons­frei“. Gegen­fra­ge: Was sind sie dann?

Hein­richs sagt drei­er­lei: Zum ers­ten sei das recht­lich klar; zum zwei­ten ein Pro­blem der Selbst­sicht; und drit­tens eine Fra­ge der poli­ti­schen Oppor­tu­ni­tät. Was folgt Ihrer Ansicht nach daraus?

Wirk­li­ches Nach­den­ken, nicht immer nur in die Welt tönen: Wir ver­tre­ten die Kon­fes­si­ons­frei­en … die das dann gar nicht wol­len. Übri­gens: Den Begriff – anstel­le von „Kon­fes­si­ons­lo­se“ – hat der HVD in sei­nem ers­ten Selbst­ver­ständ­nis von 1993 ein­ge­führt, eher neben­bei und in der Fol­ge bis 2001 nicht kon­se­quent durch­ge­hal­ten. Jeden­falls soll­ten die Ver­bän­de neu nach­den­ken, wie sie ihr Ver­hält­nis zu den „Kon­fes­si­ons­frei­en“ bestim­men, wer das jeweils für sie ist, was sie wem von ihnen zu bie­ten und zu sagen haben.

Was folgt für sie aus den vor­han­de­nen Vorschlägen?

Für die poli­ti­sche Stra­te­gie gibt es der­zeit in der „säku­la­ren Sze­ne“ zwei Wege: den­je­ni­gen, den der HVD 1993/94 zu sei­nem Allein­stel­lungs­merk­mal gemacht hat; und den­je­ni­gen des Lai­zis­mus. Zu Letz­te­rem brin­ge ich in der Doku­men­ta­ti­on aus­führ­lich die Posi­ti­on von Ingrid Mat­thä­us-Mei­er. Sie ist eine Freun­din der kla­ren Aussprache.

Was hat das nun mit Huma­nis­mus zu tun, den Sie in ihrem Buch immer wie­der bemühen?

Es führt kein Weg dar­an vor­bei, dass sich die Ver­bän­de posi­tio­nie­ren, dass sie, da nun fast alle „huma­nis­tisch“ argu­men­tie­ren, was 1990/1995 noch nicht der Fall war, ihren jewei­li­gen Huma­nis­mus genau­er vor­tra­gen, auch hin­sicht­lich der je eige­nen Pra­xis und poli­ti­schen Kon­zep­te. Vor dem Hin­ter­grund eines über­grei­fen­den Huma­nis­mus, wie ver­sucht wur­de, ihn im Hand­buch „Huma­nis­mus: Grund­be­grif­fe“ zu fas­sen und der in mei­ner Inter­pre­ta­ti­on im Pro­be­ka­pi­tel bei Ali­bri vor­ge­stellt wird, ergibt sich kei­ne „auto­ma­ti­sche“, schon gar kei­ne ein­heit­li­che „Umset­zung“ („Anwen­dung“). Doch was wir gemein­sam wol­len ist Barm­her­zig­keit, Bil­dung und Men­schen­wür­de und unse­re Metho­den sind Argu­men­tie­ren, Zwei­feln, Huma­ni­sie­ren, Soli­da­ri­tät, Seel­sor­ge … alles huma­nis­ti­sche Grund­be­grif­fe mit gro­ßer Auslegungsbreite.

In Ihrem Buch geben Sie eini­ge Bei­spie­le für die­sen Streit, etwa anhand einer genaue­ren Ana­ly­se aller huma­nis­ti­schen Selbst­ver­ständ­nis­se des HVD seit 1993. Sie zitie­ren theo­lo­gi­sche Bli­cke von außen auf die „Sze­ne“ und legen Ihre Posi­tio­nen zur Bekennt­nis­fra­ge und zum „welt­li­chen“ Huma­nis­mus“ offen. Sie äußern sich pes­si­mis­tisch in Sachen Ver­bands­de­mo­kra­tie. Auch zur Stel­lung des HVD inner­halb der „säku­la­ren Sze­ne“ sagen Sie Etli­ches. Wor­um geht hier der aktu­el­le Streit?

Man muss auch hier die Tat­sa­chen zur Kennt­nis neh­men. Die „säku­la­re Sze­ne“ wächst nicht im Ver­hält­nis zu den Kon­fes­si­ons­frei­en, was immer dar­un­ter ver­stan­den wird. Das orga­ni­sier­te „säku­la­re Spek­trum“ ist, trotz eini­ger Zuwäch­se, ten­den­zi­ell rück­läu­fig. Wir haben Ver­bän­de, die ste­hen nur auf dem Papier. Was den HVD betrifft, so lässt einer­seits der ehe­mals ein­fluss­reichs­te Lan­des­ver­band Ber­lin, ohne den es kei­nen HVD gege­ben hät­te, Ori­en­tie­rung und Füh­rung ver­mis­sen. Ande­rer­seits ist nir­gends der Abschied von der tra­di­tio­nel­len Frei­den­ker­be­we­gung und die Hin­wen­dung zu einem (in mei­nen Begrif­fen) „kon­fes­sio­nel­len“ Huma­nis­mus so kon­se­quent erfolgt wie im HVD Bay­ern, der jetzt „Beam­te“ hat, „Geset­ze“ erlässt und Eide abfor­dert – in denen übri­gens das Wort Huma­nis­mus nicht vor­kommt. Neh­men wir die­ses oder ande­re Bei­spie­le – die „säku­la­re Welt“ und der Huma­nis­mus in der Gesell­schaft haben sich im letz­ten Vier­tel­jahr­hun­dert radi­kal ver­än­dert gegen­über 1990. Was ist heu­te der huma­nis­ti­sche Weg? Wie vie­le gibt es?

Das mün­det dann aktu­ell – so Ihr Buch – in zwei Kon­zep­ten: Auf­bau- oder Abbau­stra­te­gie. Also nur zwei Wege?

In den betref­fen­den Orga­ni­sa­tio­nen – nicht in der Gesell­schaft – bün­delt es sich so. Ein „drit­ter Weg“ wird aktu­ell nicht dis­ku­tiert. Dafür wäre der KORSO zustän­dig, ist aber jetzt schon über­for­dert. Man scheint sich weit­ge­hend dar­in einig zu sein, dass Bei­des nicht zusam­men geht inner­halb einer Orga­ni­sa­ti­on, jeden­falls nicht ohne geis­ti­ge Ver­ren­kun­gen. Die „dies­seits“ nennt dies in ihrer aktu­el­len Aus­ga­be „Gegen­sätz­li­che Aus­rich­tung“. Wir wer­den sehen, was „gegen­sätz­lich“ prak­tisch meint und was orga­ni­sa­ti­ons­po­li­tisch dar­aus folgt.

Das ist mir zu dunkel …

Es erhellt sich, wenn man sieht, wor­auf die gro­ßen Begrif­fe der­zeit her­un­ter­ge­bro­chen wer­den – in der „Sze­ne“, nicht in der Gesell­schaft –, etwa auf den Streit über den KORSO und den hpd.

Zum hpd sagen Sie in Ihrem Buch nicht viel, dazu mehr zum KORSO. Kön­nen Sie kurz Ihre Hal­tung zusammenfassen?

Was den hpd betrifft, so habe ich ihn mit­ge­grün­det und unter­stüt­ze ihn. Es ist aber nötig, dass er sei­nem Namen gerecht wird in der gan­zen Brei­te von Huma­nis­mus. Wenn er sich ein­sei­tig dem „säku­la­ren Huma­nis­mus“ wid­met und vor­ran­gig die gbs-Pro­jek­te befeu­ert, dann kann der HVD damit nicht viel anfan­gen – was aber auch dar­an liegt, ob er sich und sei­ne „dies­seits“ wei­ter­hin von der Sze­ne iso­liert. – Der KORSO wie­der­um ist aus der „Sich­tungs­kom­mis­si­on“ des Jah­res 2000 her­vor­ge­gan­gen, die ich jah­re­lang mode­riert habe. Er über­treibt der­zeit sei­ne Funk­ti­on, wenn er nicht nur zu sich­ten ver­sucht, son­dern öffent­lich „gemein­sa­me“ Poli­tik machen will. Hier wie im hpd sehe ich die Orte, die Unter­schie­de in der „Sze­ne“ zu arti­ku­lie­ren und zu ler­nen, sie auszuhalten.

Sie haben ein Buch über die „säku­la­re Sze­ne“ und vor allem den HVD geschrie­ben, leben aber in der säch­si­schen Pro­vinz. Abschlie­ßend die Fra­ge: Wie sehen Sie den Ver­band, des­sen Prä­si­dent Sie ein­mal waren, so aus der Ferne?

Ers­tens: Man braucht ein Fern­glas. Zwei­tens: Aus der Distanz sieht man eini­ge Kon­tu­ren kla­rer. Drit­tens: Es gibt auch in Zwi­ckau schnel­les Inter­net. Doch genug der Flap­sig­kei­ten. Ich will zum Schluss eine Pas­sa­ge aus dem Buch zitie­ren: „Der Ver­band ist der größ­te deut­sche Ver­ein, der sich dem Huma­nis­mus ver­pflich­tet hat. Es gibt nur einen HVD. Das for­dert von unser­eins Behut­sam­keit im Umgang mit ihm, aber zugleich schar­fe Kri­tik, eben weil er allein steht. Er muss das aushalten.“

Das Gespräch führ­te Mar­tin Bau­er.

Blogs / Rezen­sio­nen / Informationen

http://hpd.de/artikel/pro-humanismus-13893

http://www.freigeist-weimar.de/beitragsanzeige/pro-humanismus-horst-groschopps-kritische-kulturstudie/

http://www.wissenbloggt.de/?p=36497

Zum Inter­view ein Kom­men­tar von Gita Neu­mann am 21. Dezem­ber: Zukunft braucht Herkunft.

https://hpd.de/artikel/humanismus-aktuell-14094

http://www.diesseits.de/perspektiven/1487113200/humanismus-jubilaeumsjahr-reformation-alles-gut

Andre­as Fin­cke: Rezen­si­on. Horst Gro­schopp: Pro Huma­nis­mus (2016). In: Mate­ri­al­dienst EZW. Ber­lin 2017, 80. Jg., H. 3, S. 116–118.

http://www.humanismus-aktuell.de/sites/humanismus-aktuell.de/files/rezension_139_engel_humanismus_grundbegriffe_0.pdf