Über das Ende der Spar-Kassen
Es geht die Legende, dass dem, der seine Seele dem Teufel verkauft, das Herz zu Stein wird. Die Sparkassen sind im Verkaufsgespräch, aber willig, den Pakt zu schließen. Die Seele dieser Bank war ihr vor fast dreihundert Jahren gegebenes Versprechen, als öffentlich-rechtliche, meist kommunale Anstalt, das Geld der Bürgerinnen und Bürger zu verwahren und dafür Zinsen zu zahlen. Zinsen werden schon lange nicht mehr gegeben, aber allerlei Gebühren erhoben. Wer will nicht für seine Leistungen bezahlt werden? Aber das reicht nicht mehr.
Nun also der nächste Schritt: Das Geldinstitut mit dem irreführenden Namen Sparkasse ist keine Spar-Kasse mehr, denn sie fordert sogar von Witwen, die, wie meine 95-jährige Mutter, seit mehr als fünfundachtzig Jahren ihre Kunden sind, ab 2022 Negativzinsen, sehr erfindungsreich „Verwahrentgelte“ genannt.
Die Sparkasse Zwickau dehnt ihre entsprechenden Begehren auf Altkunden aus, die ihr Leben lang gespart haben für Kinder, Enkel und Urenkel. Bei meiner Mutter ist mit Datum 11. Oktober 2021 ein Brief mit einer „Rahmenvereinbarung“ von 0,5 % per annum Negativzinsen eingegangen, wobei großzügig ein Freibetrag von 25.000 (nicht wie Leipzig von 50.000 €) zugrunde gelegt wird. In Raubrittermanier setzte die Sparkasse eine 14-Tage-Erpressungsfrist und droht bei Nichtunterzeichnung, die von der „Vereinbarung betroffenen Konten zu kündigen“. Diese Zumutung hat meine Mutter verweigert.
Nun wird sie dafür bestraft, denn das Geldinstitut, das noch Spar-Kasse heißt, hat es nun tatsächlich getan mit Datum 4. November 2021 zum 24. Januar 2022 für zwei „Geschäftszweige“, wie die Konten nun heißen, zu kündigen. Es geht ums Prinzip, egal wie viel Geld auf den Konten ist: Unterschreib oder geh! Die alte Frau muss sich nun in Bewegung setzen und anderswo neue Konten eröffnen.
Gespräche mit anderen Betroffenen zeigen, dass es eine Großaktion ist, die v.a. Kunden betrifft, an denen die Sparkasse kein großes Interesse hat, diejenigen, die nur sparen wollen. Erfahrungen besagen zudem, dass von richtigen Sparkonten, die zunächst auch ins Auge gefasst wurden, nach entsprechenden Gerichtsbescheiden das Ansinnen zurückgenommen wurde. Man darf aber nun dort nichts mehr einzahlen, also nichts mehr sparen. Konteneröffnungen folgen gleich den neuen Regeln. Man kann es auch lassen.
Als Begründung muss die Europäische Zentralbank herhalten. Die Banken müssen allerdings keine belegbare Auskunft geben, was die EZB konkret fordert und wie hoch jeweils die eigenen Freibeträge sind. Aber: Europa ist schuld!
Um einmal zu sehen, was wie funktioniert bei diesem Überfall, setzen die ehemaligen Spar-Kassen bundesweit unterschiedliche Grenzen, erfassen Spar- oder nur Giro-Konten. Die Freibeträge variieren. Da wir Inflation haben, wegen der Corona-Kredite und sonstiger Staatsausgaben, können die an der EZB orientierten Negativzinsen von derzeit 0,5 % leicht 1–2 % erreichen, um den Geldfluss einzudämmen, trotz aller Entwarnungen. Hauptsache, die Steigerungen werden künftig automatisch umgelegt, wie die „Rahmenvereinbarung“ Auskunft gibt.
Als Kulturhistoriker beobachte ich eine energisch vorangetriebene Wende in den finanziellen Verhaltensanforderungen an die Bürgerinnen und Bürger, denn den Kunden wird nun das Sparen ausgetrieben. Meine Mutter hat seit 1933 und ich seit 1958 von der 1. oder 2. Klasse an Sparmarken geklebt. Sparen galt als Tugend und war zu lernen. Jetzt wird mitgeteilt, dass die Schatzbildung an ihr Ende gekommen ist, teuer wird. Die Omas und Opas, Väter und Mütter, Jungs und Mädchen sollen einüben, sich auf dem Geldmarkt zu tummeln und Geld schnell per Handy auszugeben: ein kleiner Klick – und schon ist man drin in der schnelllebigen Moderne, in der totes Geld rasch verfällt und Kredite gern gewährt werden. Jede Oma soll bankern. Das ist doch nicht persönlich gemeint. Und die jungen Leute? Die halten es, wenn sie können, mit Aktien, Fonds, Anleihen und was es sonst noch so gibt für die, die sich pfiffig meinen.
Soweit zum Thema kaltes Herz.
Das Ganze hat aber eine politische Pointe: Im Parteiprogramm der NSDAP, die erste außerhalb Bayerns wurde vor genau hundert Jahren in Zwickau gegründet, steht die populistische und antisemitisch gemeinte Forderung, das Volk, die Deutschen, sollen die Zinsknechtschaft brechen. Da bin ich aber nun gespannt, da die Wahlen gelaufen sind, welche Partei zuerst fordert: „Brecht die Negativzins-Knechtschaft der EZB entzwei“.