Säkularisierung, Säkularisation, Säkularität

Säkularisierung und Säkularisation

Handout Konferenz fes/HAB 1./2. Dezember 2002

Vor­schlag: Säku­la­ri­tät, Säku­la­ri­sa­ti­on und Säku­la­ri­sie­rung zu unterscheiden

Säku­la­ri­sa­ti­on bezieht sich v.a. auf den Staat, sei­ne Geset­ze und sei­ne Bezie­hun­gen zu Reli­gi­ons- und Weltanschauungsgemeinschaften.

Säku­la­ri­sie­rung ist die Anwen­dung des Begriffs der Säku­la­ri­sa­ti­on auf Gesell­schaft im Sin­ne von Ver­welt­li­chung, wobei his­to­ri­sche Pha­sen der Ver­welt­li­chung zu unter­schei­den und Induk­tio­nen neu­er kir­chen­frei­er bzw. reli­gi­ons­frei­er Berei­che als Teil der Moder­ne fest­stell­bar sind.

Säku­la­ri­tät ist ein Zustand von Staat und Gesell­schaft vor­wie­gend in den Indus­trie­staa­ten Mit­tel­eu­ro­pas und Nord­ame­ri­kas, des­sen Staats­le­ben ein hohes Maß welt­an­schau­lich-reli­giö­ser Plu­ra­li­tät auf­weist und in des­sen All­tags­le­ben zuneh­men­de Ent­kirch­li­chung bis hin zu als nor­mal emp­fun­de­ner Reli­gi­ons­lo­sig­keit vorkommen.

Säkularisation

1. Es wird ein mate­ri­el­les Objekt oder eine Tätig­keit aus dem direk­ten Besitz der Kir­chen genom­men (ein Recht, ein Klos­ter, eine Biblio­thek, ein Wald, ein Ver­wal­tungs­dienst, eine Hilfs­leis­tung, eine Ernen­nung …) und dem Staat über­ge­ben oder privatisiert.

2. Der Staat säku­la­ri­siert bestimm­te sei­ner Auf­ga­ben, in dem er sie nicht mehr für die Kir­chen aus­übt (Voll­zug bestimm­ter kirch­li­cher Stra­fen, Kir­chen­steu­er­ein­zug, Öffent­li­che Ordnung …).

3. Der Staat neu­tra­li­siert sich, sei­ne Gesetz­ge­bung und bestimm­te Ver­an­stal­tun­gen durch Berück­sich­ti­gung reli­gi­ös-kul­tu­rel­ler Unter­schie­de: Sinn­be­stim­mung des Staa­tes nicht mehr aus­schließ­lich christ­lich. Geset­ze mit Ten­denz zur Plu­ra­li­tät (Schwan­ger­schafts­ab­bruch).

4. Der Staat unter­sagt bestimm­te reli­giö­se Pra­xen (Bestra­fun­gen, Beschnei­dun­gen, Wahr­sa­ge­rei, Teu­fels­aus­trei­bun­gen, beson­de­res Arbeitsrecht …).

5. Der Staat ent­lässt kul­tu­rell-wer­ten­de Berei­che bzw. Vor­gän­ge aus sei­ner Obhut. Anwen­dung der Kunst- und Reli­gi­ons­frei­heit; Kir­chen ver­lie­ren Sank­ti­ons­mit­tel bei Blasphemie …

Säkularisierung

Anwen­dung des Begriffs der Säku­la­ri­sa­ti­on auf Gesell­schaft im Sin­ne von Verweltlichung.

1. Säku­la­ri­sie­rung des Rechts nach der For­mel, das Gesetz, steht über den Reli­gio­nen (und spä­ter auch den Weltanschauungen).

2. Ent­my­tho­lo­gi­sie­rung der Poli­tik seit der Renaissance

3. Ein­füh­rung eines säku­la­ren Geschichtsbildes

4. Ethisch (statt reli­gi­ös) begrün­de­te staat­li­che Innenpolitik

5. Ver­welt­li­chung durch Massenkultur

Säkularität

Zustand von Gesell­schaft vor­wie­gend in den Indus­trie­staa­ten Mit­tel­eu­ro­pas und Nord­ame­ri­kas, der meh­re­re kul­tu­rel­le Eigen­hei­ten aufweist:

1. Die zuneh­men­de Ent­kirch­li­chung des All­tags wird beglei­tet von einem zurück­ge­hen­den Ein­fluss von Reli­gi­ons­ge­mein­schaf­ten auf die Gesetz­ge­bung (auch von Weltanschauungsgemeinschaften).

2. Säku­la­ri­tät ist beglei­tet von einer rasan­ten Ent­wer­tung des Tra­di­tio­nel­len, Her­kömm­li­chen und Eth­ni­schen sowie einem suk­zes­si­ven Rück­gang der Gesin­nungs- und damit auch der Religionskontrolle.

3. Kenn­zei­chen die­ser Säku­la­ri­tät ist die Poli­ti­sie­rung des Aus­gleichs von Inter­es­sen­be­zie­hun­gen. Sie drängt den Ein­fluss mora­li­scher, gemein­schaft­li­cher und reli­giö­ser Bin­dun­gen und damit befass­ter Orga­ni­sa­tio­nen immer wie­der zurück und zwingt sie zur koope­ra­ti­ven Konkurrenz.

4. Säku­la­ri­tät ist umkehr­bar, da sie wie jedes sozi­al­po­li­ti­sche Ver­hält­nis dem Den­ken, Wol­len und Tun von Men­schen unterliegt.

Fragen innerhalb des Diskurses über Säkularisierung

1. Ten­den­zi­el­ler Unter­gang von Religion?

2. Ver­welt­li­chung als Anpas­sung an die Welt, wie sie ist?

3. Ent­sa­kra­li­sie­rung der Wirklichkeit?

4. Gleich­gül­tig­keit gegen­über Reli­gi­on wird Normalität?

5. Wer­den neue Sinn­be­dürf­nis­se aus­schließ­lich reli­gi­ons­los befrie­digt und neue Lebens­be­rei­che reli­gi­ons­los begründet?

6. Sind reli­giö­se Dienst­leis­tun­gen für alle Men­schen Zei­chen der Verweltlichung?

7. Bedeu­tet Säku­la­ri­sie­rung das Vor­herr­schen ratio­na­ler Welt- und Menschenbilder?

8. „Post­sä­ku­la­re Gesell­schaft“ ver­sus „vor­sä­ku­la­re Gesellschaften“?

27.11.02

 

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