Penzig, Rudolph
Geb. am 30.1.1855 in Samnitz (Liegnitz); gest. am 20.4.1931 in Berlin.
Zentralfigur des organisierten deutschen Humanismus bis in die Weimarer Republik; Eintritt in die Berliner Humanistengemeinde 1893 (gegründet 1887), der Keimzelle der Deutschen Gesellschaft für Ethische Kultur; Berlin-Charlottenburger Stadtrat; Dozent an der Freien Hochschule Berlin; berufliche Tätigkeit als Moralpädagoge für Schwererziehbare.
Zunächst Privatlehrer, dann an der Erziehungsanstalt in Schnepfenthal (Thüringen; Salzmann) und dort von Basedowschen Ideen geprägt; Entlassung 1878 nach Austritt aus der Landeskirche. Danach lebt P. als armer Privatlehrer in Dresden; Promotion 1879 über Schopenhauer; verweigert den religiösen Doktoreid.
Heirat, Lehrer im Baltikum; Vertreibung 1889; in der Schweiz eigene Privatschule für Schwererziehbare, Konkurs; Studien zur Kinderpädagogik, hier besonders Erwachsenenaufklärung über „Kinderfragen“; mittellos; Bewerbung 1893 bei der ethischen Kulturgesellschaft; Sekretär von Friedrich Wilhelm Foerster; 1899 Vorsitz Berliner Gemeinde.
14-tägliche Sonntagsansprachen; Namensgebung statt Taufe; Jugendlehre mit nachfolgender Jugendweihe, Trauungen und Begräbnisse bzw. Einäscherungen; stark beachtete Schrift „Ohne Kirche“; Entwicklung einer Alternative zum Berufsbild des Pfarrers: „ethisch-ästhetischer Prediger“.
Ende der 1890er Jahre für liberales Freidenkertum; 1903 erfolglose Reichstagskandidatur, linker Flügel der Fortschrittspartei, ab 1917 Sozialdemokratie.
Leiter Verlag für ethische Kultur; Zeitschrift „Ethische Kultur“ (1893–1936) mit Beilagen „Kinderland“ (1903–1918) und „Weltliche Schule“ (1908–1921); Tätigkeit als Redakteur und Sozial- u. Schulreformer; 1918–1926 Vertrauensperson betreffend Moral- und dann auch Lebenskunde-Unterricht bis ins Preußische Kultusministerium (Hoffmann, Haenisch u.a.); bevorzugte selbst den Begriff Lebenskunst, aber für Lebenskundlicher Unterricht: „Gesinnungsbildung“, dasjenige, was der Religionsunterricht in der modernen Zeit nicht mehr leisten könne für alle Kinder und Jugendliche; inhaltlich stark als Kultur‑, Religions- u. Weltanschauungskunde gedacht; spricht dafür, „die gesamte Erscheinungswelt der Religion … dem öffentlichen Unterricht zuzuweisen“ und je nach Alter, Bildung und Lebensbedarf der Kinder objektiv und leidenschaftslos und auch an weltlichen Schulen sowie innerhalb von Lebenskunde anzubieten (Religionskunde 1926, S. IV-VI); Lebenskunde als humanistische sittliche Pflichtenlehre (Pflicht zur Selbstbildung, Gerechtigkeit, Güte, zum Beruf und zur Anerkennung von Idealen).
Der Mensch wird als einmalige Persönlichkeit zwischen Natur- und Kulturwesen bestimmt, dem Lebenskunde in der Kinderzeit Angebote zur weltanschaulichen Selbstentscheidung unterbreiten soll; in Didaktik überwiegen Erzählungen und Lektüre: „Keine Herbart-Zillersche Zwangsmethode. Kein Memorierzwang … Kein Katechismus. Kein Abfragen. Kein Zeugniserteilen, keine Lohn- u. Strafdisziplin“, stattdessen „ethische Wirkung der Begeisterung durch das Vorbild … [auch der] … religiösen Heldensagen aller Zeiten und Völker“ und an höheren Schulen auch die des klassischen Altertums (Penzig 1916, 106 f.); Stoff sollte ergänzt werden durch rationale, aber kindgemäße Erklärung der Naturerscheinungen und Mythen (Mythos).
Quellen: R. P., Die ersten Moralunterweisungen der Kinder, Zürich 1896
· ders., Ernste Antworten auf Kinderfragen, Berlin 1897
· ders., Zum Kulturkampf um die Schule, Berlin 1905
· ders., Ohne Kirche, Jena 1907
· ders., Die Harmonie zwischen Religions- u. Moralunterricht, Berlin 1912
· ders., Der RU einst, jetzt u. künftig, Berlin 1916
· ders., Religionskunde u. Lebenskunde in der weltlichen Schule, Frankfurt a.M. 1926
· ders., Apostata. Licht- u. Schattenbilder aus meinem Leben, Berlin 1930.
Literatur:
· Horst Groschopp, Dissidenten, Berlin 1997
· Franz Hanschen, Dr. R.P., in: Der Humanist 2/1977, 35 f.
Quelle Text:
Horst Groschopp: Penzig, Rudolph, Dr. (1855–1931). In: Lexikon der Religionspädagogik. Hrsg. von Norbert Mette und Folkert Rickers. Neukirchen-Vluyn: Neukirchner Verlag 2001, Sp. 1481–1483.
Quelle Bild: Freimaurer Wiki.