Wilhelm Foerster

Ein Naturwissenschaftler als ethischer Humanist

(* am 16. Dezem­ber in Grün­berg / Schle­si­en; Δ am 8. Janu­ar 1921 in Pots­dam-Bor­nim) war Astro­nom, seit 1863 Pro­fes­sor (1875 ordent­li­che Pro­fes­sur; 1891/92 Rek­tor der Ber­li­ner Uni­ver­si­tät), Grün­der und Prä­si­dent der „Deut­schen Gesell­schaft für Ethi­sche Kul­tur“ (1892), Mit­grün­der der URANIA und Direk­tor der Ber­li­ner Stern­war­te (1865) und Grün­dungs­mit­glied der „Deut­schen Frie­dens­ge­sell­schaft“. 1860 in der Ber­li­ner Sing­aka­de­mie begin­nend gilt er als gro­ßer Popu­la­ri­sa­tor natur­wis­sen­schaft­li­cher Erkennt­nis­se, ein­ge­ord­net in eine nicht­re­li­giö­se, huma­nis­ti­sche Weltanschauung.

Als Direk­tor der Stern­war­te war Foers­ter zustän­dig für die mit­tel­eu­ro­päi­sche Grad­mes­sung, die spä­ter zur inter­na­tio­na­len Erd­mes­sung erwei­tert wur­de, und für die Über­wa­chung der erd­ma­gne­ti­schen Erschei­nun­gen. Er moder­ni­sier­te den „Fraunhofer“-Refraktor, mit dem Johann Gott­fried Gal­le im Jahr 1846 den Pla­ne­ten Nep­tun ent­deck­te. Die Uhr in der Stern­war­te ließ Foers­ter mit elek­tri­schen Kon­tak­ten ver­se­hen und zu ver­ab­re­de­ten Zei­ten genaue Zeit­si­gna­le von einem 1863 ver­leg­ten Kabel zur Ber­li­ner Zen­tral­te­le­gra­fen­sta­ti­on über­tra­gen. Das war der Anfang des öffent­li­chen Zeit­diens­tes. Mit­in­itia­tor des ein­heit­li­chen Meter-Maßes und des euro­päi­schen Gewichtswesens.

Im Jah­re 1888 grün­de­te Wil­helm Foers­ter zusam­men mit Wer­ner von Sie­mens und Max Wil­helm Mey­er in Ber­lin die URANIA gegrün­det. Der Name ist der grie­chi­schen Mytho­lo­gie ent­lehnt, Ura­nia gilt die Muse der Himmelskunde.

Die König­li­che Stern­war­te in Ber­lin hat­te neben ihrer wis­sen­schaft­li­chen Funk­ti­on auch die Auf­ga­be, wenigs­tens zwei­mal im Monat dem inter­es­sier­ten Publi­kum einen Blick ins Uni­ver­sum zu gestat­ten. Die­se Anre­gung kam von Alex­an­der von Hum­boldt, den Wil­helm Foers­ter als den eigent­li­chen Vater der URANIA bezeich­ne­te, da er schon in den Jah­ren 1827/28 par­al­lel zu sei­nen Uni­ver­si­täts­vor­le­sun­gen natur­wis­sen­schaft­li­che Vor­trä­ge für jeder­mann in der Ber­li­ner Sing­aka­de­mie ein­führ­te, die mit Begeis­te­rung auf­ge­nom­men wurden.

Am 18. bis 21. Okto­ber 1892 ent­stand in Ber­lin die „Deut­sche Gesell­schaft für Ethi­sche Kul­tur“ (auf und Wil­helm Foers­ter hielt eine die Öffent­lich­keit erre­gen­de Ein­lei­tungs­re­de. Der Ver­ein schöpf­te sei­ne Legi­ti­ma­ti­on aus­drück­lich aus den Leit­ge­dan­ken Imma­nu­el Kants über „ethi­sche Gesell­schaf­ten“ in des­sen Schrift von 1793 „Die Reli­gi­on inner­halb der Gren­zen der blo­ßen Ver­nunft“ – danach waren das die­je­ni­gen, die außer­halb von Glau­bens­sät­zen und Kult­bräu­chen „die Gesin­nung eines guten Lebens­wan­dels“ als den wah­ren Got­tes­dienst anse­hen und sich zu die­sem Zwe­cke orga­ni­sie­ren. In Ber­lin und anders­wo hie­ßen die­se Gemein­schaf­ten „Huma­nis­ten­ge­mein­den“.

Auf der Grün­dungs­ver­samm­lung hielt Foers­ter zwei Refe­ra­te, das ers­te über „die lit­tera­ri­sche und publi­zis­ti­sche Bethä­ti­gung“ und das zwei­te über die „Bethä­ti­gung gegen­über den Übel­stän­den der gesell­schaft­li­chen und wirt­schaft­li­chen Ver­hält­nis­se“ Mit der Zeit wuchs dar­aus ein prak­ti­sches Pro­gramm. Danach erstreb­te die ethi­sche Kul­tur­ge­sell­schaft öffent­li­che Dis­kus­sio­nen über mora­li­sche Fra­gen und woll­te sich der Jugend­er­zie­hung und der Erwach­se­nen­bil­dung wid­men. Mit lite­ra­ri­schen Mit­teln unter­nahm sie eine ethi­sche Pro­pa­gan­da und äußer­te sich in der Fol­ge­zeit aus­führ­lich zur Frei­mau­re­rei, zur Frau­en­be­we­gung, zu Frie­dens­be­stre­bun­gen, zur Alko­hol­abs­ti­nenz und gegen den Antisemitismus.

Als 1892 die Deut­sche Frie­dens­ge­sell­schaft ihren Grün­dungs­auf­ruf ver­öf­fent­lich­te, die ers­te pazi­fis­ti­sche Orga­ni­sa­ti­on in Deutsch­land, gehör­te Foers­ter zu den Erstunterzeichnern.

Vie­le sei­ner Freun­de sahen die­se huma­nis­ti­schen Akti­vi­tä­ten Foers­ters kri­tisch. Des­halb wur­de er von ehe­ma­li­gen guten Freun­den geschnit­ten (etwa vom Maler Adolph Men­zel). Ihn ereil­te sogar eine Dis­zi­pli­nar­un­ter­su­chung wegen Athe­is­mus und Anarchismus.